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Bei Anbruch der Nacht

Titel: Bei Anbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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kochte. Es war
nicht die Sorte Wut, die jäh zuschlägt und wieder verebbt. Nein. Diese Frau, erkannte ich, kochte schon seit einer ganzen Weile. Es war die Art von Wut, die kommt und auf einem bestimmten Pegel stehen bleibt, wie ein schlimmes Kopfweh, sie erreicht keinen echten Höhepunkt und weigert sich, ein geeignetes Ventil zu finden. Maggie ist immer so ausgeglichen, dass sie die Symptome nicht erkannte, und wahrscheinlich dachte sie, dass die Frau sich auf einer mehr oder weniger rationalen Ebene beschwerte. Denn sie bat um Verzeihung und begann mit einer Rechtfertigung: »Wissen Sie, wenn so viel Andrang herrscht wie vorhin …«
    »Den haben Sie sicher jeden Tag, oder? Etwa nicht? Ist nicht im Sommer, bei gutem Wetter, jeden Tag so ein Andrang? Wie? Wieso sind Sie dann nicht drauf vorbereitet? Etwas passiert jeden Tag, und Sie sind überrascht. Ist es das, was Sie mir sagen wollen?«
    Die Frau hatte meine Schwester wütend angestarrt, aber als ich jetzt hinter der Theke hervorkam und mich neben Maggie stellte, verlagerte sie ihren Blick auf mich. Und es mag mit meinem Gesichtsausdruck zu tun gehabt haben – jedenfalls sah ich, dass ihre Wut noch um ein paar Grad anstieg. Maggie drehte sich zu mir, sah mich an und begann mich sanft fortzuschieben, aber ich leistete Widerstand und blickte die Frau unverwandt an. Sie sollte nur wissen, dass das nicht nur eine Sache zwischen Maggie und ihr war. Wer weiß, wohin das geführt hätte, wäre nicht in dem Moment der Mann wieder hereingekommen.
    »So eine wunderbare Aussicht! Eine wunderbare Aussicht, ein wunderbares Essen, ein wunderbares Land!«
    Ich war gespannt, ob er merkte, wohinein er geraten war, aber wenn ihm etwas auffiel, ging er jedenfalls nicht darauf
ein. Er lächelte seine Frau an und sagte – auf Englisch, vermutlich unseretwegen -: »Sonja, du musst unbedingt rauskommen und dich umschauen. Geh einfach bis ans Ende dieses kleinen Wegs dort draußen!«
    Sie sagte etwas auf Deutsch und wandte sich wieder ihrem Buch zu. Er kam weiter in den Raum herein und sagte zu uns:
    »Ursprünglich wollten wir ja heute Nachmittag nach Wales weiterfahren. Aber Ihre Malvern Hills sind so wunderschön, dass ich finde, wir sollten die letzten drei Tage unseres Urlaubs in der Gegend hier verbringen. Wenn Sonja einverstanden ist, bin ich überglücklich.«
    Er blickte seine Frau an, die mit den Schultern zuckte und wieder etwas auf Deutsch sagte, woraufhin er sein lautes, offenes Lachen hören ließ.
    »Gut! Sie ist einverstanden! Also das ist geklärt. Wir fahren nicht nach Wales. Wir bleiben die nächsten drei Tage hier in Ihrer Gegend!«
    Er strahlte uns an, und Maggie sagte irgendwas Aufmunterndes. Mit Erleichterung sah ich die Frau jetzt ihr Buch zuklappen und ihre Sachen packen. Auch der Mann trat nun an den Tisch, hob seinen kleinen Rucksack auf und hängte ihn sich über die Schulter. Dann fragte er Maggie:
    »Sagen Sie, gibt es vielleicht in der Nähe ein kleines Hotel, das Sie uns empfehlen könnten? Nichts zu Teures, aber komfortabel und angenehm. Und womöglich was typisch Englisches?«
    Maggie war erst einmal überfragt, und statt einer konkreten Empfehlung sagte sie etwas Bedeutungsloses wie: »Was schwebt Ihnen denn vor?« Aber ich schaltete mich rasch ein und sagte:
    »Das beste Quartier in der Gegend hat Mrs Fraser. Es liegt gleich an der Straße nach Worcester. Malvern Lodge heißt es.«

    »Malvern Lodge! Das klingt genau richtig!«
    Maggie wandte sich missbilligend ab und räumte angelegentlich Sachen beiseite, während ich ihnen detailliert den Weg zu Hexe Frasers Hotel beschrieb. Dann zogen sie ab, die beiden, der Mann mit breitem Lächeln und Dankesbekundungen, die Frau ohne einen Blick zurück.
    Meine Schwester warf mir einen verdrossenen Blick zu und schüttelte den Kopf. Ich lachte nur und sagte:
    »Diese Frau und Hexe Fraser passen doch ganz ausgezeichnet zusammen. Gib’s zu! So eine Chance darf man sich nicht entgehen lassen.«
    »Ja, du kannst dir natürlich deinen Jux machen«, sagte Maggie, als sie an mir vorbei in die Küche drängte. »Aber ich muss hier leben.«
    »Na und? Schau, diese Krauts siehst du nie wieder. Und wenn Hexe Fraser erfährt, dass wir ihre Bruchbude an Touristen weiterempfohlen haben, wird sie sich wohl kaum beschweren, oder?«
    Maggie schüttelte den Kopf, aber jetzt war der Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht.

    Danach wurde es im Café ruhiger, später kam auch Geoff zurück, und ich ging nach oben, zumal ich

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