Bei Anbruch des Tages
ihm auch tat, er würde sie ihrem Schicksal überlassen. SchlieÃlich war er Monsieur Perrin und sie nur eine kleine Kosmetikerin. Er konnte sie unmöglich heiraten.
Nadine hatte nicht verstanden, dass er ihr mit all seinem Ge rede seine ganz andere anregende, groÃbürgerliche Welt hatte zei gen wollen.
Genauso gut hätte man einer streunenden Katze eine Atlantik-Auster servieren können.
»Pech für Sie!«, sagte er halblaut und beschloss, Salon zu verlassen.
Doch wen konnte er jetzt mit seiner Verbitterung überschütten? Wenn doch wenigstens seine arme Mutter noch leben würde! Sie hatte ihm immer zugehört. Oder seine bewunderungswürdige Frau! Die arme Régine hatte stundenlang an seinen Lippen gehangen und ihn getröstet. Aber jetzt war er einsam und verzweifelt. Er hatte zwei Söhne, aber die lieÃen sich nur selten blicken. Dabei würde das Weingut eines Tages einmal ihnen gehören!
Als am Horizont zwischen den Weinbergen die Umrisse seiner Villa auftauchten, war sein Blick tränenverschleiert.
Nadine dagegen lachte sich ins Fäustchen, weil es ihr mal wieder gelungen war, diesem wortreichen, langatmigen Egoisten, der sich in seinem Hochmut nicht eingestehen wollte, wie sehr er sie brauchte, die Laune zu verhageln.
Sie erzählte ihrer Tochter von dem Vorfall, die so gar nicht darüber lachen konnte. Stattdessen bemerkte sie: »Ich finde das gar nicht witzig.«
»Da siehst du mal, wie du bist! Wer weiÃ, wer der Mann war, der dir diesen Pessimismus vererbt hat!«
»Egal, wer mein Vater ist, ich würde ihn liebend gern kennenlernen! Aber dazu wird es nie kommen, weil du nie etwas ernst nimmst, nicht einmal deine Männergeschichten. Nicht einmal mich, deine Tochter! Ich bin es leid, dich ständig über Männer reden zu hören. Wann redest du endlich mal ein bisschen über mich?«, klagte sie verärgert.
»Was soll ich denn sonst noch tun, auÃer dich zu ernähren?«
»Ich wünsche mir eine richtige Mutter, wie ich sie nie gehabt habe!«, schrie sie.
Léonie verglich ihre Mutter mit denen ihrer Klassenkameradinnen, die sie manchmal zum Essen einluden, weil sie eine gute Schülerin war und anderen Kindern bei den Hausaufgaben half. Diese Mütter waren zwar nicht so jung und schön wie Nadine, aber dafür waren sie richtige Mütter. Ihre war eher eine Art gröÃere Schwester, leichtfertig und egoistisch. Von ihren Män nergeschichten gar nicht zu reden. Deshalb fuhr sie ihre Mutter nun an: »Soll ich dir mal was sagen? Wenn ich erwachsen bin, werde ich auf jeden Mann losgehen, der etwas von mir will. Und wenn du schlau wärst, würdest du das Gleiche tun.«
»Du verstehst überhaupt nichts. Ich sollte dich ohrfeigen, aber das tue ich nicht, weil ich zu müde bin. Was gibt es zum Abendessen?«
Nach dem langen Arbeitstag war Nadine wirklich müde und auÃerdem verbittert: Jetzt, da Léonie älter wurde, hatte sie gehofft, eine Freundin in ihr zu finden, und nun benahm sie sich wie ihre Feindin. SchlieÃlich hatte auch sie nie einen Vater gehabt, war aber ihrer Mutter gegenüber nie so frech gewesen. Wenn überhaupt, hatte sie versucht, die arme Frau zu beschützen, und sich bis zu ihrem Tod um sie gekümmert.
»Ãbrigens«, sagte sie, »nächstes Jahr wirst du mit vierzehn die Schule beenden. Du kannst dich jetzt schon mal nach einer Arbeit umsehen.«
Léonie musste wieder an die schmerzende Enttäuschung an dem Abend denken, als sie ihrer Mutter das mit dem Kauf von Lavendel verdiente Geld angeboten hatte.
»Ich kann es kaum erwarten. Denn dann kann ich endlich für mich allein sorgen!«, erwiderte sie.
Bei diesen Worten stellte sie eine Hafersuppe und einen Teller mit Frischkäse auf den Tisch.
Das Telefon klingelte, und Nadine ging ran. Es war der LâOréal-Vertreter, der bei ihr übernachten wollte, da er am nächsten Tag nach Marseille musste.
Nadine dachte an ihre Tochter. Langsam wurde es ihr peinlich, sie ständig zu Thérèse zu schicken. Und genau in diesem Moment klopfte es an der Tür.
Léonie machte auf und sah sich einem groÃen Strauà roter Rosen gegenüber, gehalten von der zitternden Hand Monsieur Perrins.
Nadine betrachtete die Szene und sagte zu ihrem Freund, dem Vertreter: »Heute Abend geht es leider nicht. Ich habe Probleme mit meiner Tochter.«
Sie legte auf und ging zu
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