Bei Anbruch des Tages
Léonie und dem Winzer hinüber.
8
S ind die etwa für mich, Monsieur Perrin?«, säuselte Nadine.
»Mademoiselle Nadine, ich bin gekommen, um Sie zu fragen, ob Sie nach einer angemessenen Verlobungszeit meine Frau werden wollen«, sagte der Mann atemlos, wobei er erst rot und dann blauviolett anlief.
»Léonie, nimm die Blumen!«, befahl Nadine.
»Nimm du sie doch!«, erwiderte die Tochter. »Ich gehe zu Thérèse.«
Sie verschwand und betrat die Wohnung der alten Freundin, die in der letzten Zeit etwas geschwächt war und schon im Bett lag.
»Sie hat das groÃe Los gezogen!«, verkündete sie, während Thérèse Brille und Buch weglegte.
»Was ist passiert?«, fragte die Frau.
»Der Witwer Perrin ist mit einem Strauà roter Rosen aufgetaucht und hat Mama einen Heiratsantrag gemacht. Ich habe meine Suppe stehen lassen. Ich gehe kurz in die Küche und schaue, ob ich etwas zu essen finde«, sagte sie und verlieà das Zimmer.
»Ich will alles wissen«, murmelte die alte Frau, während sie sich aus dem Bett erhob, in ihre Pantoffeln schlüpfte und dann zu Léonie in die Küche ging. Das Mädchen bestrich gerade eine dicke Scheibe Brot mit Pastete.
»Ich habe dir alles erzählt, was ich weiÃ. Nachdem er ihr den Antrag gemacht hat, bin ich gegangen.«
Die Alte nahm Léonie gegenüber Platz und knabberte an einem Stück Brot.
»Diesmal war Nadine wirklich schlau, das muss man schon sagen. Sie hat den hässlichen Perrin regelrecht weichgekocht«, bemerkte sie. »Er gefällt meiner Mutter eigentlich gar nicht, sie will nur sein Geld. AuÃerdem ist noch längst nicht gesagt, dass sie auch wirklich heiraten. Er hat von einer angemessenen Verlobungs zeit gesprochen. WeiÃt du, wie oft Mama schon verlobt war? Ihre Verehrer verdrücken sich immer in letzter Sekunde, und ich hoffe sehr, dass auch der noch die Flucht ergreift. Zumal sie schon einen anderen Freund hat.«
»Der sehr gut aussieht, während Monsieur Perrin â¦Â«
»⦠hässlich, alt und unsympathisch ist.«
»Aber wenn sie heiraten würden, könntest du weiter zur Schule gehen und vielleicht sogar Abitur machen. Du gehst gern zur Schule, ich weiÃ, dass dir das Spaà machen würde.«
Das Mädchen beendete seine Mahlzeit, wischte die Krümel auf und spülte das Messer ab. Dann fragte sie: »Thérèse, glaubst du, ich werde auch so wie Mama, wenn ich einmal groà bin?«
»Ich glaube, dass dein Vater, wer immer das sein mag, ein schlauer Kopf ist. Denn du bist intelligenter als Nadine, und deshalb wirst du nicht die gleichen Fehler machen wie sie. Vor allem nicht den, ein uneheliches Kind zu bekommen.«
»Auch die Oma hat meine Mutter bekommen, ohne verheiratet zu sein.«
»Aber du wirst eines Tages deinen Märchenprinzen kennenlernen. Er wird dich heiraten, und ihr werdet viele Kinder bekommen.«
»Ich bin schon zu alt, um an Märchen zu glauben. Und an die Männer glaube ich auch nicht. Ich werde niemals heiraten.«
Thérèse lächelte. »Wartâs ab, meine Kleine!«
Sie hörten, wie nebenan die Tür ins Schloss fiel, und sahen vom Fenster aus, wie Monsieur Perrin in sein Auto stieg. Sie sahen, wie er davonfuhr. Und im selben Moment stürmte Nadine in Thérèses Küche. Mit einem triumphierenden Lächeln verkündete sie: »Die Bastille wurde gestürmt. Schaut nur!«
Sie zeigte die linke Hand, an der ein Ring mit einem Brillanten funkelte. »Stellt euch vor, zum ersten Mal habe ich ihn Jean-Marie genannt und er mich Nadine. Er hat mich auf die Wange geküsst, und am Sonntag bin ich bei ihm zu Hause zum Essen eingeladen. Ist das nicht fantastisch?«
»Wann werdet ihr heiraten?«, fragte Thérèse.
»In genau einem Jahr«, erwiderte Nadine strahlend. »Es tut mir aufrichtig leid, Philippe verlassen zu müssen. Er ist ein netter Kerl, und er gefällt mir sehr. Aber ich wäre dumm, wenn ich ihn nehmen würde anstatt Perrin. Zumal Perrin mich heiraten will, während Philippe â¦Â«
»Und mit wem soll ich am Sonntag essen, wenn du bei deinem reichen Verlobten in der groÃen Villa zu Mittag isst?«, fragte Léonie aufmüpfig.
»Geduld, Geduld, eins nach dem anderen! Er hat seinen Söhnen noch nichts von mir erzählt und erwartet, dass ich dir gegenüber ebenso zurückhaltend bin. Ich
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