Bei Anbruch des Tages
weiÃ, dass dir das nicht gefällt.«
»Und dir gefällt das auch nicht!«, betonte Léonie.
»Aber mir gefällt sein Geld«, bemerkte Nadine.
»Es heiÃt, dass er seiner ersten Frau gegenüber unheimlich geizig war â¦Â«, wandte Thérèse schüchtern ein.
»Es wird so manches geredet ⦠Aber ich weiÃ, dass ich die von allen respektierte Madame Perrin sein werde und man mich wie eine Dame bedienen und behandeln wird. Und du, Thérèse, wirst dann zu uns in die Villa eingeladen, während du, Léonie, wunderschöne Kleider bekommst. Ich werde einen Nerz haben.«
An diesem Abend schrieb Léonie Daniela, ihrer italienischen Freundin, um ihr von dem groÃen Ereignis zu berichten. Sie schloss mit den Worten: »Anscheinend werde ich in einem Jahr einen reichen Stiefvater haben. Aber da das ein sehr unsympathischer Mann ist, freue ich mich nicht. Ich würde dich gern einmal wiedersehen. Auf dem Foto, das du mir geschickt hast, siehst du bezaubernd aus. Wann kommst du wieder nach Salon?«
Daniela antwortete ihr einige Tage später und lud sie in den Sommerferien nach Italien ein. Sie schrieb: »Wir haben ein Haus in Castiglioncello, und bis feststeht, ob ich versetzt werde, muss ich dort lernen. Wenn du kommst, können wir gemeinsam über meine trostlosen Paukferien lachen.«
Die Tage vergingen, und Nadine hatte die Gewohnheit der sonntäglichen Mittagessen mit Jean-Marie wieder aufgenommen. Nur dass sie nun nicht mehr in irgendwelchen Restaurants, sondern in der Villa inmitten seiner Weinberge stattfanden.
Die Dienstboten Monsieur Perrins behandelten sie mit Respekt, und er zeigte ihr sein Anwesen. Er führte sie durch die Zimmer des prunkvollen Hauses und schwärmte ihr von der kostbaren Einrichtung vor, von den Tapeten und Teppichen, wobei er nie unerwähnt lieÃ, was sie wert waren. AnschlieÃend spazierten sie durch die Weinberge. Er zeigte ihr die Reben, erzählte ihr von falschem Mehltau, Hagelunwettern und Klimaeinflüssen. Sie nickte und gähnte. Bevor er sie gegen Abend wieder nach Hause brachte, schenkte er ihr entweder einen besonderen Wein, ein Ãl aus erster Pressung, einen Korb mit wilden Erdbeeren oder Pilzen, Eingemachtes oder eine Konfitüre. Sie bedankte sich.
»Jetzt, da die Schule vorbei ist und meine Léonie den Hauptschulabschluss hat, solltest du sie einmal einladen. AnschlieÃend wird sie für zwei Monate nach Italien fahren«, sagte sie eines Tages zu ihrem Verlobten.
»Für diese offiziellen Dinge ist immer noch Zeit. Vielleicht können wir das im Herbst kurz vor der Hochzeit erledigen.«
Eines Sonntags stellte er Nadine seinen beiden Söhnen vor, die extra aus Paris gekommen waren. Sie waren abweisend und hochmütig, und Nadine begriff, dass diese sie niemals als Familienmitglied akzeptieren würden. Sie setzte ein Lächeln auf und nahm sich vor, es ihnen heimzuzahlen, wenn sie erst einmal Madame Perrin wäre.
Ihr Verlobter wusste nicht, wie er sich für das schlechte Beneh men »dieser jungen Leute« entschuldigen sollte, und Nadine nutzte die Gelegenheit, ihn um finanzielle Unterstützung für ihre Tochter zu bitten.
»Ich möchte nicht, dass Léonie bei dieser italienischen Familie, die sie groÃzügigerweise eingeladen hat, einen schlechten Eindruck hinterlässt.«
Ganz verblüfft über diese unerwartete Bitte, zückte der Mann sein Portemonnaie und gab ihr Geld, wobei er sagte: »Das muss aber eine Ausnahme bleiben.«
»Im Gegenteil: Du hast mich dazu gedrängt, meine Stelle aufzugeben, und mir Unterhalt zugesichert. Jetzt, da ich deine Frau werde, solltest du ihn erhöhen, findest du nicht auch?«
»Willst du damit sagen, dass ich auch noch die Kosten für deine Tochter übernehmen soll?«
»Ganz genau«, säuselte sie, nicht ohne hinzuzufügen: »Léonie ist sehr begabt. Wenn du nicht wärst, müsste sie arbeiten gehen. Aber als ihr Stiefvater willst du sicher für ihre Ausbildung aufkommen.«
Er überlegte lange und sagte dann: »Gut, aber nur wenn du dafür sorgst, dass sie mich nicht stört. Ich komme mit jungen Leuten nicht zurecht. Wie du gemerkt hast, nicht einmal mit meinen Söhnen.«
Als Nadine Léonie zum Zug brachte, mit dem sie nach Italien fahren würde, gab sie ihr das Geld von Perrin und sagte: »Bleib solange du kannst, denn ich stehe vor einer
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