Bei Anbruch des Tages
feststellen muss, dass sein Traum, mich versorgt zu wissen, geplatzt ist. Doch obwohl wir noch nicht verheiratet waren, hat Filippo mir ein bedeutendes Erbe hinterlassen.«
»Tatsächlich?«, fragte Renzo staunend.
»Er hat mir ein Kind hinterlassen. Ich bin im zweiten Monat schwanger.«
4
R enzo verschlug es die Sprache.
Gleich darauf erhob sich Celina.
»Wir sollten uns jetzt verabschieden«, sagte sie.
»Nein, nein, warte noch einen Moment!«, stammelte er.
»Ich hoffe, du behältst für dich, was ich dir soeben anvertraut habe«, bat sie eindringlich.
»Ich werde kein Wort davon verraten, das weiÃt du doch!«
Er trat auf sie zu und strich ihr über das Gesicht. Sie begann zu weinen. Mitfühlend reicht er ihr ein Taschentuch. In ihren Kreisen war ein uneheliches Kind ein Skandal. Was würde sie nun tun?
Celina trocknete ihre Tränen und schaffte es, sich ein Lächeln abzuringen. Sie hörten Schritte auf dem Kiesweg, und die junge Frau fing sich wieder und trat an die Tür des Gartenpavillons. Ein Hausmädchen näherte sich.
»Die Contessa schickt mich. Sie möchte wissen, ob Sie einen Tee möchten«, sagte die Frau.
»Nein danke. Der Herr geht gerade«, erwiderte Celina.
»Ehrlich gesagt würde ich gern einen Tee trinken. Ich habe keine Eile«, widersprach Renzo.
»Dann werde ich sofort welchen bringen«, erwiderte das Hausmädchen und ging.
»Du willst nicht gleich davonlaufen? Jetzt, da du mein Geheimnis kennst?«, fragte Celina, als sie erneut allein waren.
Er legte ihr einen Arm um die Schultern und flüsterte: »Du darfst diese Last nicht allein tragen. Hast du noch nicht daran gedacht, mit den Eltern deines Verlobten zu sprechen?«
»Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dagegen entschieden. Filippo hat seinen Eltern nichts davon gesagt, und das werde ich jetzt auch nicht tun.«
»Hast du ihn geliebt?«, fragte er mühsam.
»Ja und nein. Ich weià nicht ⦠Es war eine Verbindung, die sich unsere Familien mehr gewünscht haben als wir. Ich denke, er war in mich verliebt. Ich war froh, ihn heiraten zu können, weil er ein guter Mensch war. Wir haben erst miteinander geschlafen, als das Hochzeitsdatum bereits feststand. Für mich war es das erste Mal ⦠und jetzt sieh nur, in welche Schwierigkeiten mich das Schicksal gebracht hat!«
Ein Hausdiener kam, um den Tee und duftenden Apfelkuchen zu servieren.
Renzo betrachtete Celinas wunderschönes Gesicht, ihren traurigen Blick und litt mit ihr.
»Du musst das Problem bald lösen. Es wird schwieriger, je länger du wartest«, überlegte Renzo laut.
Er wollte schon gehen und küsste ihr die Hand, als er gerade noch hervorbrachte: »Ruf mich an, wenn ich dir helfen soll. Du bist in meinem Herzen. Und ich bin immer für dich da.«
Als er am selben Tag seinen Vater traf, sagte Renzo: »Ich habe mit dem Grafen gesprochen. Wir sollen uns wegen des Villenkaufs an den Notar wenden. Ihm liegen bereits sämtliche Unterlagen vor. Wollen wir?«
Amilcare musterte seinen Sohn misstrauisch.
»Du hast den Grafen getroffen? Davon wusste ich ja gar nichts!«
»Ich habe unsere Kunden aus Mantua ins Girarrosto zum Mittagessen eingeladen. Beim Gehen habe ich ihn dann vor seinem Haus getroffen«, log er. Dabei wusste er selbst nicht, warum er nicht die Wahrheit sagte.
Amilcare, der seinen Sohn sehr gut kannte, merkte, dass er nicht aufrichtig war, beschloss aber zu schweigen.
Als Vater und Sohn noch am selben Abend nach dem Essen in den gelben Salon gingen, um Zeitung zu lesen und über die Firma zu reden, sagte Renzo auf einmal: »Ich gehe schlafen.«
»Du lässt mich allein?«, fragte Amilcare, der spürte, dass sein Sohn ungewöhnlich nervös war.
» Papà , jetzt mach mir bitte kein schlechtes Gewissen, wenn ich einmal früher ins Bett gehe! Du weiÃt, dass Mama gleich kommen wird, gemeinsam mit Generoso Castelli. Ich bin heute nicht in der Stimmung für Gesellschaft.«
Bianca war mit Generoso Castelli ausgegangen, der angeboten hatte, sie zu einer Vernissage im Palazzo Reale zu begleiten. Und tatsächlich traten die beiden, kurz nachdem Renzo den Raum ver lassen hatte, ein und unterhielten sich überflüssigerweise über Bü cher, die sie als Kinder gelesen hatten. Bianca behauptete, Cuore von Edmondo de Amicis sei alles andere als pädagogisch
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