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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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wertvoll, da es eine weltfremde Opferbereitschaft und Gutmenschentum predige. Collodis Pinocchio dagegen, das Märchen von der Marionette, die zum Kind wird, sei eine einzige Hymne auf die Liebe.
    Â»Es ist die Liebe, die die hölzerne Marionette in ein Kind aus Fleisch und Blut verwandelt«, sagte Bianca gerade. »Nicht wahr, Amilcare?« Sie legte ihr blaues Seidencape ab und reichte es einem Bediensteten.
    Â»Du hast wie immer recht, meine Liebe. Auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, worüber ihr eigentlich redet«, erwiderte ihr Mann.
    Â»Ãœber unsere Kinderbücher. Was ist besser, Cuore oder Pinocchio? «, fragte Generoso.
    Â»Genau, welches findest du besser?«, erkundigte sich seine Frau.
    Â»Ich mochte Vambas Das Tagebuch des Gian Burrasca am liebsten, denn es beschreibt, wie scheinheilig die Welt der Erwachsenen ist. Nicht zuletzt, weil ich die anderen beiden nie gelesen habe«, gestand Amilcare, der an diesem Abend genau wie sein Sohn keine Lust hatte, sich mit Bianca und Generoso zu unterhalten. Er erhob sich und sagte: »Setzt ihr nur eure gelehrten Gespräche fort! Ich bin müde und gehe schlafen.«
    In Wahrheit machte er sich Sorgen um seinen Sohn, der etwas vor ihm verheimlichte.
    Er ging in den ersten Stock und an Renzos Zimmer vorbei und hörte seinen Sohn laut reden. Er blieb stehen und lauschte, verstand aber nur jedes fünfte Wort und wartete, bis es wieder still wurde, bevor er leise an die Tür klopfte.
    Renzo machte sofort auf und lächelte.
    Â» Papà , bitte krieg jetzt keinen Herzinfarkt, aber ich habe beschlossen, Celina zu heiraten«, verkündete er.
    Â»Celina … wen?«, fragte Amilcare, der sich zwang, Ruhe zu bewahren.
    Â»Olgiati Tremonti«, erwiderte Renzo.
    Der Vater sah das Telefon auf dem Kissen und schloss daraus, dass Renzo kurz zuvor mit der jungen Frau gesprochen hatte.
    Â»Aber ihr Verlobter ist doch gerade erst gestorben!«
    Â»Ihre Dokumente liegen also bereits vor, und meine sind schon beantragt. Wir heiraten umgehend, und ich hoffe sehr, dass du nichts dagegen hast, weil meine Entscheidung unwiderruflich feststeht.«

5
    A milcare und Bianca hatten durch einen Salon getrennte Schlaf zimmer, in den sie bei Schlaflosigkeit flüchteten.
    Nachdem sich Bianca von Generoso Castelli verabschiedet hatte, ging sie ins Bad und betrat dann den Salon. Sie hatte bereits ihren Pyjama angezogen und wunderte sich, ihren Mann, der zerstreut in einer Fachzeitschrift blätterte, noch immer in Jackett und Krawatte vorzufinden.
    Â»Wieso bist du nicht längst im Bett?«, fragte sie und setzte sich neben ihn aufs Sofa.
    Â»Renzo heiratet«, sagte Amilcare nur.
    Nach kurzem Schweigen fragte sie: »Um wen zu ärgern?«
    Â»Hör endlich auf mit deinem überflüssigen Zynismus!«
    Â»Ich kann einfach nicht anders. Kennen wir sie?«
    Â»Ja, es ist die Tochter des Conte.«
    Â»Oh, là, là, dann haben wir eine Adelige in der Familie!«
    Wieder herrschte langes Schweigen, dann fragte Bianca: »Trauert sie nicht gerade um ihren Verlobten?«
    Â»Das dachte ich auch.«
    Â»Welche Erklärung hast du dafür?«
    Â»Gar keine.«
    Â»Werden die Olgiatis so eine … proletarische Verwandtschaft überhaupt akzeptieren?«
    Â»Mir drängt sich da eine ganz andere Frage auf: Celina sollte in Kürze einen Banker heiraten. Der stirbt, und gleich nach der Beerdigung verlobt sie sich mit unserem Sohn. Was steckt dahinter?«
    Â»Plötzlich entflammte Liebe?«, fragte Bianca zögernd.
    Â»Ihre Hochzeit platzt und damit auch die Aussicht auf eine sichere Zukunft. Man sollte meinen, dass sie großen Kummer hat, stattdessen verlobt sich Celina gleich wieder. Ist sie ver rückt?«
    Â»Und wenn schon! Eine Verrückte mehr oder weniger in unserer Familie – was macht das schon aus?«
    Â»Mach keine Witze!«
    Â»Warum sprichst du nicht einfach mit Renzo darüber?«, schlug Bianca vor.
    Â»Der hüllt sich in Schweigen.«
    Â»Und wenn wir ihm einfach vertrauen?«, fragte seine Frau, lockerte den Knoten seiner Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes, wobei sie ihn zärtlich anlächelte.
    Amilcare liebte diesen Blick, der ihn alle Sorgen vergessen ließ. Er umarmte seine Frau und zog sie zärtlich an sich.
    Â»Gehen wir zu dir oder zu mir?«, fragte Bianca flüsternd.
    Â»Wohin du willst«, erwiderte er und

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