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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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hatten sich ausgedünnt zu
Nachthemd-blassen Schleiern und nach kurzer Gewöhnung hatten TKKG keine
Probleme mit der beschränkten Sicht.
    Tim pirschte voran. Karl erwog,
ob er seine Taschenlampe einschalten sollte, aber die andern hielten das für
verräterisch.
    Über eine winterfahle,
frostknirschige Grasnarbe! Weiter! Die Straße war schmal und voller
Schlaglöcher und führte in Richtung Ruinen.
    Ivoritzki ging darauf zu. Tim
sah ihn. Außerdem pfiff der Kerl, war offenbar gut gelaunt.
    Oder ihm ist unbehaglich,
dachte Tim, und er quetscht Pfiffe raus wie jemand nachts auf dem Friedhof, auf
verlassenem Schlachtfeld, im Feindesland oder Dschungel. Ivoritzki, der
Angstpfeifer! Nee, den Eindruck macht er eigentlich nicht. Also ist er gut
gelaunt. Trifft er hier seine Freundin? Oder bringt er der Vollwaise Vitamine,
die er vorhin nicht dabei hatte, als er Gundula — oder wie auch immer sie
heißen mag — in ein Versteck zwang. Versteck? Hier sind doch nur Kerker.
Bombenkeller! Wie für Galeerensklaven.
    Ivoritzki stieg über eine
kniehohe Restmauer. Er pfiff La Paloma, den Oldie-Schlager von der weißen
Taube.
    Schemenhaft nahm Tim seine
Gestalt wahr, die sich jetzt in Richtung Bombenkeller entfernte, dabei über
Geröll stampfte und eine richtungweisende Fährte aus Pfiffen hinterließ.
    Tim war seinen Freunden etwas
voraus, pirschte geduckt, behielt den Verdächtigen im Auge und wich Bauschutt, Geröll
und leeren Blechdosen sowie Flaschen aus. Lautlosigkeit war angesagt. Wenn
Ivoritzki sie entdeckte, war der ganze Aufwand umsonst. Der Kerl würde
behaupten, er wolle nur eine Ratte fangen — als Haustier. Und Gundulas Versteck
konnte ja sonstwo sein. Da gab’s Dutzende von Möglichkeiten.

    Jetzt hatte Ivoritzki einen der
Bombenkeller erreicht, einen ehemaligen Bunker, freistehend und groß genug für
eine halbe Dorfgemeinschaft. Er war in den Boden gebaut, ragte nur hüfthoch
über die Oberfläche, bestand aus massiven, fensterlosen Betonmauern, die flach
waren wie ein betonierter Hof. Diese Fläche hatte sich selbst begrünt. Im Laufe
der Jahrzehnte hatte der Wind Sand und Erde herangeweht. Gras spross, Moos
breitete sich aus, Wildkräuter, die keine tiefen Wurzeln trieben, fassten Fuß
bzw. wurzelten.
    Ivoritzki blieb stehen. Das
Pfeifen verstummte.
    Tim duckte sich hinter einen
Berg bröckliger Ziegelsteine.
    Der Mond schien jetzt ziemlich
hell, die Wolken wallten nur noch wie Tüll. Also weite Sicht.
    Tim streckte eine Hand hinter
sich und vollführte Vorsichtsgefuchtel.
    Aber Gaby, Karl und Klößchen
hatten schon begriffen und waren in Deckung gegangen.
    Gaby kauerte hinter einer
Mauerecke, Karl kniete hinter einem Busch, Klößchen lag bäuchlings, weil kein
Sichtschutz in der Nähe war.
    Tim äugte. Ivoritzki stieg
Stufen hinab.
    Aha! Dort ging’s in den Bunker.
War dort das Versteck der Vollwaise?
    Ivoritzki wurde kleiner,
tauchte hinab, jetzt verschwand der Kopf. Scharniere knirschten, die Angeln der
Tür natürlich: altes Eisen, inzwischen von Rost überzogen, aber dick wie ein
Unterarm.
    Stille. Offenbar war Ivoritzki
im Bunker.
    Tim winkte seine Freunde heran.
Klößchen fluchte und klopfte an seinen Klamotten herum.
    „Ist wieder mal echter Stress,
Häuptling. Beinahe hätte ich mich in eine Pfütze gelegt.“
    „Eigene Schuld! Ivoritzki ist
dort in den Bunker rein. Und ich sehe nur einen Grund: Der Kerl besucht Gundula.“
    „Warten wir hier?“, fragte Gaby
hoffnungsvoll.
    „Eher nicht, Pfote. Der Bunker
hat mindestens zwei Eingänge. Wenn Ivoritzki hinten raus schlurft, könnten wir
ihn übersehen.“
    „Wieso hinten raus?“, meinte
Karl. „Der Typ muss doch zu seinem Wagen zurück. Hinten raus wäre — seltsam.“
    „Findest du nicht auch, dass
sich der Kerl überhaupt ziemlich seltsam benimmt“, erwiderte Tim. „Alles hier
ist seltsam. Ivoritzki kann man nicht ausrechnen. An ihm muss man dran bleiben.
Das ist unsere Chance. Oder?“
    „Hm!“, machte Karl.
    Auch Tim war nicht mehr so ganz
überzeugt von seinem Vorschlag. Trotzdem würde er, Tim, auf keinen Fall Gaby
hier zurücklassen. Sie war immer noch am sichersten in seiner Reichweite.
    Außerdem sagte sie jetzt: „Wenn
wir noch lange Consilium machen (beratschlagen), verlieren wir den
Anschluss.“
    „Heh!“, zischte Tim und klapste
sich vor die Stirn. „Warum komme ich erst jetzt darauf? Amigos! Die Vollwaise
Gundula ist wahrscheinlich gar nicht hier. Aber... hier sind Flüchtlinge
versteckt. Illegale (nicht

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