Bei Anruf - Angst
sicherlich nicht. Und falls doch
— dann ist der garantiert so verriegelt wie die anderen. Ivoritzki macht mit
uns, was er will. Wahrscheinlich sollen wir hier verschmachten. Tut mir leid,
Gaby. Deine Idee, draußen zu warten, wäre besser gewesen.“
8. Dietmar hat an alles gedacht
Vor den Fenstern stürmte es.
Bleiches Mondlicht beschien die Tiroler Berggipfel. Im Dorf St. Amarusetta
schlief man bereits — ausgenommen im Gasthaus Felsenblick , wo immer noch
etliche Touristen vor der Glotze verharrten und Bier tranken nebst
weltberühmtem Kräuterschnaps, der hier etwas preisgünstiger war — sozusagen ein
Schnaps-Schnäppchen, direkt aus der Brennerei.
Dietmar Lerchenalt und sein
Komplize Adolf Tagner saßen in ihrer Ecke und steckten flüsternd die nun schon
etwas geröteten Köpfe zusammen. Ja, der Kräuterschnaps schmeckte. Die
Serviererin hatte wiederholte Bestellungen erfüllt.
„Du weißt, wen ich meine?“
Dietmar grinste. „An wen wir das Rezept verkaufen, sobald wir’s rausgepresst
haben aus den drei Mönchen.“
Adolf knetete seine Nase. „Da
kommt doch nur einer in Frage. Unser Boss.“
Dietmar nickte. „Specht ist
scharf darauf wie kein anderer. Vor Zeiten hat er mir mal erklärt, dieses
Rezept wäre sein Traum — sein Lebenstraum.“
„Kann ich verstehen. Immerhin
ist er Schnapsfabrikant.“
„Aber erstens kein großer und
zweitens kein guter. Seine Beerenschnäpse — Himbeergeist, Brombeergeist,
Birnengeist und Zwetschgenwasser — kann jeder herstellen. Und besser. Das Zeug
schmeckt wie aufgemotzter Spiritus, finde ich. Ist was für Haarwassersäufer.
Mir wird übel davon. Neulich hat er mir einen Karton Himbeergeist geschenkt.
Ich hab’s gleich weitergegeben an die Penner auf der Müllkipperheide. Hab’s
denen zu Weihnachten überreicht. Mann, haben die sich gefreut! Und dann
gebechert!“
„Die sind ja auch nicht
verwöhnt.“
„Nee, sind sie nicht.“
„Und du meinst, Dieti, Specht
zahlt uns die Riesensumme.“
„Das Rezept wäre ihm jede Summe
wert, hat er mir gesagt.“
„Weiß er, was du vorhast?“
„Bis jetzt weißt nur du davon.
Und Kuno.“
Adolf Tagner fand das offenbar
gut, denn er nickte dreimal. Dann leerte er sein Schnapsglas — diesmal einen
Amarusetto blau. Mit leicht belegter Zunge wurden ein paar Tropfen vom Glasrand
geleckt. Dietmar bemerkte das mit Widerwillen, sagte aber nichts.
Dr. Heribert Specht war ihr
Boss. Hauptberuflich firmierte er als Spirituosenhersteller, brannte Schnäpse.
Seine Fabrikation — ein kleiner Betrieb — befand sich unweit der TKKG-Stadt.
Und Specht — der viermal geschieden war und neun Kinder hatte, aus denen nichts
wurde — lebte dort unauffällig. Das war auch nötig. Denn im Nebenberuf war er
der Boss einer Schleuserbande, die zahlreiche Verbindungen hatte in die
östlichen Nachbarstaaten: zur dortigen Unterwelt. Weil: Menschenschmuggel
funktioniert nur über ein weitgespanntes Netz von kriminellen Helfern.
„Wir wissen also“, sagte Adolf,
„was wir wollen. Und wir wissen, wem wir’s verkaufen, sobald wir es haben. Aber
weißt du auch, wie wir’s kriegen. Denn ich vermute mal, dass die drei wissenden
Silenti-Mönche, die einzigen Rezeptkundigen — das die bewacht werden wie der
Bundeskanzler. Oder wenigstens wie ein Minister mit unerfreulichem
Aufgabenbereich.“
„Unerfreulich ist in der
Politik alles. Und ansonsten — nein! Sie werden nicht bewacht. Im
Silentus-Orden denkt man offenbar: Mönchen tut keiner was an. Trotzdem hat man
Vorkehrungen getroffen. Aber nicht gegen Typen wie uns — sondern gegen das
unvorhersehbare Schicksal. Ich meine: Unglück und Unfall.“
„Ich verstehe nicht, Dieti.“
„Die drei Mönche dürfen sich
nie gemeinsam in eine gefährliche Situation begeben. Das verlangt die
Vorschrift des Ordens. Das bedeutet: Sie dürfen nicht zugleich in dasselbe
Flugzeug steigen. Und nicht zu dritt im selben Auto fahren. Denn wenn dann ein
tödlicher Crash wäre und die drei in die bessere Welt eingehen — wäre auch das
Rezept für immer verloren. Im Falle eines Falles — wenigstens einer der
Kundigen muss übrig bleiben.“
Das nötigte Adolf ein
Kopfschütteln ab. „Mönche sind offenbar eine ganz besondere Sorte.“
Dietmar sagte: „Die drei
Rezeptkundigen fahren jeden Morgen um acht vom Kloster hinab ins Dorf, also
hierher. Und dann arbeiten sie bis zum Abend in der
Amarusetto-Schnapsbrennerei. Die liegt am Dorfausgang, etwas abseits.“
„Aber die drei fahren
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