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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Frischluftzufuhr ausgefallen und die erstickten allmählich?
    Das verdammte Klopfen hörte
nicht auf. Es kam ihm ungelegen. Aber er konnte nicht weghören und riskieren,
dass er nachher am Zielort nur noch Tote hinten drin hatte.
    Ein Rastplatz. Leer wie ein
Planet ohne Leben. Büsche, die zur Autobahn abschirmten und das war jetzt
unbedingt nötig. Er hatte geblinkt, bog ein, rollte auf den Rastplatz, sah die
Leere im Scheinwerferlicht. Die Bremsen der Zugmaschine fauchten. Der
Tankauflieger ächzte. Dann stand das mächtige Fahrzeug.
    Ivoritzki sprang aus der
Fahrerkabine, lief nach hinten, kroch unter den Tankauflieger hörte noch immer
das Klopfen und suchte nach der getarnt angebrachten Luke, dem Einstieg.
    Sie musste aufgeriegelt werden.
Ein Fingernagel brach ab. Immerhin hatten die jetzt kapiert und das Klopfen war
verstummt.
    Er hatte eine Taschenlampe und
leuchtete hinein — in eine metallische Röhre, so lang wie der gesamte
Auflieger, notdürftig gepolstert mit Decken und Kissen.
    Ein Notlicht brannte. Kuno
konnte seine Lampe ausschalten. Der Raum war vollgestopft mit Menschen und
deren Flabe.
    Erschöpfte Gesichter, dunkle
Haare, dunkle Augen, Unsicherheit, Angst — von der Hoffnung, die diese Menschen
hergetrieben hatte ins vermeintlich gelobte Land, war nichts zu erkennen.
    „Was ist los?“
    Die meisten hatten sich ein
paar Brocken Deutsch angeeignet — als Vorbereitung für eine glückliche Zukunft.
    Ein Mann hielt eine junge Frau
in den Armen, die verzweifelt nach Luft rang.
    „Zdenka hat Herz... herzkrank...
Herzanfall. Muss Hilfe nehmen. Arzt!“
    „Unmöglich! Dann könnte ich
euch gleich über die Grenze zurückbringen. Sie... soll sich ein bisschen zusammennehmen.
Ist doch noch jung. Außerdem“, log er, „sind wir gleich da.“
    Er zögerte, sagte dann: „Moment!“
und lief nach vorn.
    Aus dem Führerhaus holte er die
abgewetzte Aktentasche, die alles enthielt, was die Flüchtlinge als erste Hilfe
erwarten durften. Aspirintabletten, ein starkes Beruhigungsmittel und eine
Flasche Schnaps — Kornbranntwein — aus Dr. Heribert Spechts Sortiment.
    Die Frau musste trinken, musste
Tabletten schlucken, durfte für einen Moment aussteigen. Gestützt von ihrem
Mann stand sie zitternd in der Kälte und versuchte, tief durchzuatmen.
    Kuno lief nervös auf und ab,
spähte zur Einfahrt. Auf der Fahrbahn donnerte hin und wieder ein Lkw vorbei.
Nur wenige Pkw waren unterwegs.
    „Verdammt! Wir müssen weiter,
Leute! Wir werden erwartet. Mein Kollege, der euch übernehmen soll, ist
vielleicht schon da. Also, geht’s wieder? Na, wunderbar! Dann hinein und Klappe
zu.“
    Während er das Versteck von
außen verriegelte, wurde ihm bewusst, wie glatt ihm die Lüge über die Zunge
gekommen war.
    Kein Kollege wartete, kein
Kollege übernahm. Das hatte man den Flüchtlingen erzählt, war aber nur Lüge — hundsgemeiner
Betrug. Man hatte ihnen weisgemacht, sie würden zu einer Baufirma gebracht
werden — einer Firma, die heimlich Schwarzarbeiter beschäftigte. Auf alle 21 Männer
warte dort Arbeit. Sie könnten in Baracken wohnen — auch die elf Ehefrauen.
Später werde man sich dann um legalen Aufenthalt bemühen. Nur zu gern hatten
die Flüchtlinge in ihren maroden Heimatländern die Versprechen geglaubt. In
Wirklichkeit würde Kuno die Leute in unwirtlicher Fremde aussetzen und ihre
Abschiebung war schon jetzt wie beschlossen. Sie hatten bezahlt für nichts — für
Strapazen und demütigenden Transport.
    Rabbelingen hatten die
Schleuser schon wiederholt angefahren — als Endziel für menschliche Fracht. Es
gab dort einen entlegenen Parkplatz hinter einem Gewerbegelände, wo nachts
total tote Hose war. Erst bei Tage würde man auf sie aufmerksam werden.
Vielleicht waren dann einige — die Robusten und Schlauen — schon untergetaucht.
Auf die andern warteten die Flüchtlingsheime.
    Rabbelingen lag weit von der
TKKG-Stadt entfernt. Aber Kuno, immer noch unruhig, fragte sich jetzt, ob diese
Entfernung denn unbedingt notwendig sei.
    Er kannte andere Plätze entlang
der Autobahn, die sich genauso gut dafür eigneten.
    Wenig später fuhr der Lastzug
von der Autobahn runter, folgte einer leeren Landstraße und hielt schließlich
auf dem Festplatz hinter einem Dorf. Volksfeste fanden hier statt, Schützen-
und Frühlingsfeste. Es gab sogar ein Vereinsgebäude und eine langgestreckte
Überdachung.
    Kuno stieg aus und nahm die
Folien unter dem Nebensitz hervor. Sie entsprachen in der Größe

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