Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
weiterkommen. Wir haben im Moment keine Möglichkeit,
Illegale irgendwo als Schwarzarbeiter unterzubringen. Es sind zuviele da. Kein
Bedarf mehr vorhanden.“
    „Wann kommt Kuno zurück?“
    Wieder hob Havliczek die
Schultern. „Vielleicht morgen früh. Vielleicht später.“
    „Was für ein Fahrzeug ist das?“
    „Ein... hm...“
    „Spuck’s aus, Mann!“
    Mit einer Miene wie akute
Darmgrippe beschrieb Havliczek das präparierte Schleuserfahrzeug, nannte auch
die Zahl der Flüchtlinge.
    „Nun zu Bodo und Adolf“, sagte
Tim. „Die sind also in Tirol, in St. Amarusetta. Was machen sie dort?“
    „Ferien.“
    „Na, klar! Die Schleuserei ist
ein harter Job. Da braucht man Erholung. Aber uns, Havliczek, liegt ein Hinweis
vor, dass diese beiden Dreckskerle dort ein Verbrechen planen. Was weißt du
darüber?“
    „Nichts. Gar nichts. Was soll
denn das sein? Von Italien her schleusen wir nicht. Da ist die Konkurrenz am
Drücker.“
    „Das Verbrechen betrifft — Likör!“
    „Was?“
    „Likör!“, fuhr Tim ihn an. „Weißt
du nicht, was Likör ist?! Den gab’s doch sicherlich auch in eurer Bierkneipe.“
    „Ich weiß wirklich nichts davon“,
beteuerte Havliczek. „Was die Kumpel privat treiben, ist nicht meine Welle.“
Klingt zum ersten Mal glaubwürdig, dachte Tim. Oder er hat inzwischen gelernt,
wie das geht.
    Er wollte noch wegen Olivia
fragen, obwohl Havliczek dem Anrufer, ihrem Bruder Bodo, bereits versichert
hatte, dass er ihr Versteck nicht kenne — doch in diesem Moment klingelte das
Telefon.
    Alle blickten zum Apparat. Er
stand noch auf dem kleinen Glastisch, wo Gaby ihn abgestellt hatte.
    Zweites Klingeln.
    „Mein Papi ist das nicht“,
sagte Gaby. „Er würde — hat er gesagt — Karls Handy-Nummer wählen, falls was
ist, falls er sich verspätet oder einen Kollegen schicken muss.“
    „Erwartest du einen Anruf?“,
fragte Tim den Schleuser. Havliczek schüttelte den Kopf.
    Das Telefon war schon beim
fünften Klingeln.
    Tim sagte: „Melde dich! Du
redest, als wäre nichts. Ein falsches Wort — und du frühstückst deine Ohren.
Los!“ Havliczek zögerte nur eine Sekunde, dann nahm er den Hörer ab.

15. Belauscht
     
    Eine feuchte Nacht drückte ans
Fenster. Draußen war Finsternis, kein Licht, keine Laterne. Olivias Zimmer lag
nicht auf der dem Dorf zugewandten Seite, sondern mit Blick — bei Tage — auf
die weiten Wiesen und Felder, die zu Hinterflecken gehören. Jetzt
waberte draußen eine fettige Dunkelheit, als hätten die Wolken ihre Bäuche auf
den noch frühlingskahlen Boden gehängt.
    Olivia schauderte. Alles war
unheimlich. Dieser Dr. Specht verhielt sich freundlich, doch sie hatte ein
ungutes Gefühl. In seiner aufdringlichen Art lag Falschheit.
    Die große Tasche mit den
persönlichen Sachen war ausgepackt. Olivia stand jetzt am Fenster und versuchte
zu erkennen, was unten im Flof war. Offenbar parkten dort Lkw; Gebäude bildeten
eine Ansammlung; aber kein lebendes Wesen war da.
    Olivia trat an die Tür und
lauschte.
    Eben noch war es beängstigend
still gewesen in der Villa, geradezu totenstill, doch jetzt war Spechts Stimme
zu hören — entfernt, nur er. Telefonierte der Mann?
    Sie öffnete die Tür und trat
auf den Gang. Er verlief im Obergeschoss, führte zu verschiedenen Räumen und
vorn zur Treppe, neben der sich eine Galerie erstreckte, über deren Geländer
man hinunter sehen konnte in eine weitläufige Kaminhalle.
    Im Gang brannte ein Licht, eine
schwache Deckenleuchte im dunkelgrünen Glasschirm, der Blätter darstellte.
    Olivia huschte über den dicken
Teppichläufer zur Galerie, wollte lauschen, wusste eigentlich nicht, weshalb
sie das tat — denn man lauscht nicht ,einfach so’. Aber ihre Situation war
außergewöhnlich. Das Mädchen war voller Unruhe und fühlte sich auf
unerklärliche Weise bedroht.

    Specht befand sich nicht in der
Halle, sondern in einem der angrenzenden Räume. Die Tür war geschlossen,
dennoch konnte Olivia seine Stimme verstehen.
    „...ja, ist mir klar. Noch mal
darf sie das nicht machen. Aber Kuno meint, sie hat’s begriffen. — Wie? Dafür
sorge ich, Dieti. Ist doch selbstverständlich.“
    Himmel! Der telefonierte mit
ihrem Bruder.
    „...Amarusetto? Das ist der
Traum jedes Schnapsfabrikanten. — Klar! — Was? Kein Mensch kriegt das Rezept.
Eher lassen sich die Mönche die Zunge rausreißen. — Im Ernst? Also, wenn du das
schaffst, Dieti, mache ich dich zum reichen Mann! — Reich bist du schon, ich
weiß. Aber das ist ja

Weitere Kostenlose Bücher