Bei Anruf - Angst
den
Nummernschildern und waren bedruckt mit falschen Kfz-Kennzeichen — mit
erdachten, die nicht übereinstimmten mit denen in den Zulassungspapieren.
Rasch klebte er die Folien auf
die Schilder. Diese Irreführung war nötig. Vielleicht würde sich einer der
Flüchtlinge die Kfz-Nummer merken und der Polizei beim Verhör angeben. Bei der
zu erwartenden Fahndung hätten die Bullen dann gute Karten gehabt.
Kuno öffnete die Luke.
„Wir sind da. Aussteigen! Nehmt
eure Sachen mit und bitte beeilt euch!“
Er wartete, bis alle im Freien
waren. Über den Platz heulte der Wind. Die nächsten Lichtquellen — Laternen im
Dorf — waren weit.
„Dort unter dem Dach könnt ihr
warten. Es wird noch etwas dauern. Versteht ihr? Mein Kollege hat eben
angerufen. Er steckt im Stau. Stau ist — wenn Autos die Straßen verstopfen.
Kann noch eine Stunde dauern. Aber dann ist er hier und nimmt euch auf. Es ist ein
großer grauer Lkw mit Plane.“
Sie flüchteten mit Sack und
Pack unter das Dach. Der jungen Frau ging es besser, aber sie hielt sich an
ihrem Mann fest.
Kuno verlor kein weiteres Wort,
stieg ein, startete und rollte herunter vom Festplatz.
Das Scheinwerferlicht strich
über die Flüchtlinge. Zusammengedrängt wie eine Herde Schafe standen sie unter
dem Dach, das nur von oben Schutz bot. Sie standen stumm, still, waren
erschöpft und vielleicht auch schon mutlos. Vielleicht dämmerte einigen, dass
nicht alles so glücklich verlaufen würde, wie sie’s sich erträumt hatten.
Kuno vergeudete keinen Gedanken
daran. Er war ohne Mitleid. Jeder von denen hatte 12 000 Mark bezahlt. 12 000
pro Person! Machte insgesamt 384 000 DM für einen ziemlich leichten Transport.
Abzüglich der Unkosten blieb ein verdammt hoher Gewinn.
Und keine Mark für Steuern!,
dachte Kuno. Wir schwimmen wirklich im Geld.
Die Autobahn — noch leerer als
vorhin.
Zurück zur Millionenstadt.
Sein Handy lag auf der Konsole.
Er griff danach, während er
durch die Windschutzscheibe in die garstige Nacht starrte. Eigentlich gab es
keinen logischen Grund, Havliczek jetzt anzurufen. Vielleicht schlief der schon
— in dem Bett, in dem eigentlich Olivia hätte schlafen sollen. Wie dem auch sei
— Grund oder nicht — Kuno wollte wissen, ob alles in Ordnung war. Denn seine Unruhe
nahm zu und das war immer ein schlechtes Zeichen. Er kannte sich. Für
mancherlei besaß er den sechsten Sinn. Der meldete sich zwar nie, wenn eine
freudige Überraschung bevorstand; aber bei Gefahr, Zoff und Katastrophen wurde
Kuno Adrenalin ins Blut gepeitscht. So auch jetzt.
14. Havliczek wird überwältigt
In der letzten Sekunde — als er
die Küchentür schon öffnete — wurde Havliczek gewarnt. Denn Klößchen nieste zum
zweiten Mal.
Der Schleuser mit dem
Müllgesicht prallte zurück, wollte sich herum werfen und abhauen, wohin auch
immer. Aber Tim reagierte wie ein geölter Blitz und war schon über, bzw. hinter
dem Kerl. Havliczek wurde gepackt, sein rechter Arm auf den Rücken gerissen.
Der Schleuser landete an der Wand — was nicht Tims Schuld war — und brüllte
auf. Der Aufprall tat weh und auch der Armhebel.
„Loslassen!“
„Vielleicht später.“
Tim drückte ihn mit der Nase
gegen die Tapete, die ein hübsches Blumenmuster aufwies. Aber dafür
interessierte sich Havliczek im Moment überhaupt nicht.
Karl klopfte seine Taschen und
Kleidung auf der rechten Seite ab, Klößchen — der wegen seiner Nieserei ein
schlechtes Gewissen hatte — auf der linken.
Sie fanden ein gefährlich
aussehendes Klappmesser und einen kurzen, mit Leder überzogenen Totschläger.
Eine Schusswaffe hatte Havliczek nicht.
Tim ließ ihn los und der
Schleuser wandte sich um.
„Verhalt dich ruhig!“, gebot
Tim. „Sonst kriegst du eine, dass dir dein Bier aus den Ohren tropft.“
Der Schleuser starrte TKKG an. „O
verflucht! Die Kids.“
„Dir wäre es lieber, wir säßen
noch in dem Bombenkeller, wie?“
„Ich weiß nicht, wovon du
redest.“
„Gib dir keine Mühe, wir haben
dein Telefongespräch angehört.“
„Ich habe nicht telefoniert.“
Tim starrte ihn an.
„Wenn wir ihm den Mund
zustopfen“, schlug Klößchen vor, „könnten wir ihn verprügeln. Eher zeigt dieser
Dreckstyp keine Einsicht.“
Natürlich war diese Drohung
nicht ernst gemeint. Aber sie wirkte trotzdem. In Havliczeks Wrackgesicht
keimte Bedenken auf, Unbehagen.
„Deutschland ist ein
Rechtsstaat“, sagte er hastig. „Ihr... ihr dürft mich nicht verprügeln.
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