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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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das?« fragte Camille. »Massart hat Hellouin umgebracht. Man hat die Fingernägel. Die Polizei ist doch sicher, was die Fingernägel angeht.«
    »Das weiß ich sehr gut«, sagte Adamsberg. »Diese Geschichte mit den Fingernägeln nervt mich.«
    »Warum?« fragte Soliman.
    »Ich weiß es nicht.«
    Soliman zuckte mit den Achseln.
    »Entfern dich nicht von Massart«, sagte er. »Wir scheißen auf den texanischen Sträfling.«
    »Ich entferne mich nicht. Vielleicht nähere ich mich. Vielleicht ist Massart nicht Massart.«
    »Mach nicht alles kompliziert, Junge«, sagte der Wacher. »Jedem Tag reicht eine Plage.«
    »Massart ist erst vor ein paar Jahren nach Saint-Victor zurückgekommen«, fuhr Adamsberg fort, der sich Zeit nahm.
    »Vor etwa sechs Jahren«, präzisierte der Wacher.
    »Und zwanzig Jahre lang hatte ihn niemand gesehen.«
    »Er war auf den Märkten. Er hat Stühle geflochten.«
    »Was beweist das? Eines Tages kommt da ein Mann zurück, der sagt: ›Ich bin Massart.‹ Und alle antworten ›O.k., du bist Massart, wir haben dich ja lange nicht mehr gesehen.‹ Und alle stellen sich vor, daß es Massart ist, der da scheu am Mont Vence lebt. Keine Verwandten mehr, keine Freunde, ein paar Bekannte, die ihn seit seiner frühen Kindheit nicht mehr gesehen haben. Was beweist uns, daß Massart Massart ist?«
    »Mein Gott«, sagte der Wacher. »Es ist Massart, verdammt. Was versuchst du da zu erfinden?«
    »Hast du Massart wiedererkannt?« fragte Adamsberg und sah den Wacher an. »Könntest du schwören, daß er der junge Mann ist, den du vor zwanzig Jahren hast das Dorf verlassen sehen?«
    »Verdammt, ich glaube wohl, daß er das ist. Ich erinnere mich an den jungen Auguste. Er war nicht gerade sehr schön, schwerfällig, schwarzes Haar wie eine Krähe. Aber unerschrocken, hart bei der Arbeit.«
    »Es gibt Tausende solcher Typen. Könntest du schwören, daß er es ist?«
    Der Wacher kratzte sich am Bein und dachte nach.
    »Ich könnte es nicht bei meiner Mutter schwören«, sagte er nach einer Weile bedauernd. »Und wenn ich es nicht schwören kann, kann niemand in Saint-Victor es schwören.«
    »Genau das sage ich«, bemerkte Adamsberg. »Nichts beweist, daß Massart Massart ist.«
    »Und der richtige Massart?« fragte Camille mit gerunzelter Stirn.
    »Ausgelöscht, eliminiert, ersetzt.«
    »Warum ausgelöscht?«
    »Aus Gründen der Ähnlichkeit.«
    »Du denkst, daß Padwell den Platz von Massart eingenommen hat?« fragte Soliman.
    »Nein«, antwortete Adamsberg seufzend. »Padwell ist heute einundsechzig. Massart ist erheblich jünger. Wie alt würdest du ihn schätzen, Wacher?«
    »Er ist vierundvierzig Jahre alt. Er ist in derselben Nacht geboren wie der kleine Lucien.«
    »Ich frage dich nicht nach dem richtigen Alter von Massart. Ich frage dich, wie alt du den Mann schätzt, der Massart genannt wird.«
    »Ah«, sagte der Wacher und kniff die Augen zusammen. »Nicht älter als fünfundvierzig und nicht weniger als siebenunddreißig, achtunddreißig. Sicher nicht einundsechzig.«
    »Da sind wir uns einig«, bemerkte Adamsberg. »Massart ist nicht John Padwell.«
    »Warum nervst du uns dann seit einer Stunde damit?« fragte Soliman.
    »Auf diese Weise ziehe ich Schlußfolgerungen.«
    »Du ziehst keine Schlußfolgerungen, du denkst völlig planlos.«
    »Genau das. Auf diese Weise ziehe ich Schlußfolgerungen.«
    Der Wacher stupste Soliman mit seinem Stock.
    »Respekt, Sol«, sagte er. »Was machst du jetzt, Junge?«
    »Die Bullen haben beschlossen, einen Fahndungsaufruf mit dem Foto von Massart zu veröffentlichen. Der Richter denkt, daß dafür ausreichend Beweismaterial vorliegt. Morgen ist sein Gesicht in allen Zeitungen.«
    »Ausgezeichnet«, sagte der Wacher lächelnd.
    »Ich habe Kontakt mit Interpol aufgenommen«, fügte Adamsberg hinzu. »Ich habe um das gesamte Dossier Padwell gebeten. Ich erwarte es morgen.«
    »Aber was kann dir das nutzen?« fragte Soliman. »Selbst wenn dein Texaner Hellouin umgebracht hätte, hätte er weder Sernot noch Deguy angerührt, nicht wahr? Und noch weniger meine Mutter, oder?«
    »Ich weiß«, sagte Adamsberg behutsam. »Das paßt nicht.«
    »Warum bist du dann so hartnäckig?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Soliman räumte den Tisch ab, trug die Kiste, die Klappstühle und die blaue Wanne hinein. Dann packte er den Wacher unter den Schultern und den Knien und trug ihn in den Laster. Adamsberg fuhr Camille mit der Hand übers Haar.
    »Komm«, sagte er nach kurzem

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