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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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»wäre der kleine Bulle nicht mehr da.«
    »Du hast sie ganz ordentlich verpaßt«, beharrte Soliman.
    Camille setzte sich neben die Holzkiste auf den rotgrün gestreiften Klappstuhl, der ihr zugefallen war. Soliman trug den Wacher zu dessen Klappstuhl, dem gelben, und legte seinen Fuß auf der umgedrehten Wanne ab. Er selbst hatte den blauen Stuhl. Der vierte, der blaugrüne, war für Adamsberg. Soliman wollte nicht, daß die Farben getauscht würden.
    Adamsberg kam gegen neun Uhr abends zurück, um sich auf seinen Stuhl zu setzen. Ein Gendarm hatte Adamsbergs Wagen zurückgebracht, ein anderer hatte ihn bis zum Laster gefahren und sich nicht zu fragen getraut, warum er die Begleitung dieser Zigeuner dem Komfort des Hotels im benachbarten Montdidier vorzog.
    Adamsberg ließ sich wie ein Stein in seinen reservierten Klappstuhl fallen, den rechten Arm in der Schlinge, das Gesicht von Erschöpfung gezeichnet. Mit der Gabel in der linken Hand spießte er eine Wurst und drei Kartoffeln auf und ließ sie ungeschickt auf seinen Teller fallen.
    »›Handicap‹«, sagte Soliman. »›Beliebiger Nachteil, Gebrechen, das jemanden in den Zustand der Unterlegenheit versetzt.‹«
    »Im Gepäckraum meines Autos sind zwei Kisten Wein«, sagte Adamsberg. »Bring sie her.«
    Soliman machte eine Flasche auf und füllte die Gläser. Sobald es sich nicht um einen Saint-Victor handelte, hatte jeder das Recht, einzuschenken. Der Wacher kostete mit mißtrauischem Blick, bevor er mit einem kurzen Kopfnicken seine Einwilligung gab. l
    »Jetzt erklär mal, Junge«, sagte er und wandte sich Adamsberg zu.
    »Es ist dasselbe Muster«, sagte Adamsberg. »Dem Mann ist mit einem einzigen Biß die Kehle durchgetrennt worden, nachdem er einen Schlag auf den Schädel bekommen hat. Sie haben die ziemlich deutlichen Abdrücke der beiden Vorderpfoten. Genau wie Sernot und Deguy ist das Opfer ein nicht mehr ganz junger Mann, ein ehemaliger Handelsvertreter. Er hat zwanzigmal die Welt umrundet, indem er Kosmetika verkauft hat.«
    Er zog sein Notizheft heraus und blätterte darin.
    »Paul Hellouin«, sagte er. »Er war dreiundsechzig.«
    Er steckte sein Heft wieder ein.
    »Diesmal hat man drei Haare neben der Wunde gefunden«, fuhr er fort. »Sie sind sofort ans IRCG in Rosny gegangen. Ich habe dort angerufen und sie gebeten, sich ranzuhalten.«
    »Was ist das IRCG?« fragte der Wacher.
    »Das Institut de Recherches Criminelles de la Gendarmerie nationale«, erwiderte Adamsberg. »Das Institut für kriminaltechnische Untersuchungen der Gendarmerie. Da, wo man einen Mann mit einem einzigen Fädchen von seinen Strümpfen vernichten kann.«
    »Gut«, sagte der Wacher. »Ich versteh halt gern, worum es geht.«
    Er betrachtete seine bloßen Füße, die in seinen groben Schuhen steckten.
    »Ich hab immer gesagt, daß Strümpfe unnütz sind«, fügte er wie zu sich selbst hinzu. »Jetzt weiß ich, warum. Erzähl weiter, mein Junge.«
    »Der Veterinärmediziner ist vorbeigekommen, um die drei Haare zu untersuchen. Seiner Aussage nach stammen sie nicht von einem Hund. Dann wäre es ein Wolf.«
    Adamsberg rieb sich den Arm und schenkte sich mit der linken Hand ein Glas Wein ein, wobei er etwas verschüttete.
    »Diesmal hat er das Opfer am Zugang zu einer Wiese erwischt, und es gibt kein einziges Kreuz in der Nähe«, sagte er. »Was besagt, daß Massart nicht so penibel ist, wie man denkt, wenn es um Effektivität geht. Und wenn er ihn weit von dessen Haus entfernt umgebracht hat, dann sicher wegen der Bullen, die überall in der Stadt herumliefen. Das bedeutet, daß er die Möglichkeit hatte, ihn nach draußen zu locken. Durch einen Brief oder einen Anruf.«
    »Um wieviel Uhr?«
    »Gegen zwei Uhr morgens.«
    »Eine Verabredung um zwei Uhr morgens?« fragte Soliman.
    »Warum nicht?«
    »Der Typ hätte doch mißtrauisch werden müssen.«
    »Alles hängt von dem Vorwand ab, unter dem man ihn dahingelockt hat. Vertraulichkeit, Familiengeheimnis, Erpressung, es gibt haufenweise Möglichkeiten, einen Mann nachts rauszulocken. Ich denke, daß auch Sernot und Deguy ihr Haus nicht aus Vergnügen verlassen haben. Sie wurden einbestellt, genau wie Hellouin.«
    »Ihre Frauen haben ausgesagt, es habe keinen Anruf gegeben.«
    »Nein, nicht am selben Tag. Die Verabredungen müssen vorher getroffen worden sein.«
    Soliman verzog das Gesicht.
    »Ich weiß, Sol«, sagte Adamsberg. »Du glaubst an einen Zufall.«
    »Ja«, erwiderte Soliman.
    »Nenn mir einen guten Grund, warum

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