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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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kümmern, verstehst du? Nur den Laster fahren. Ich und der Wacher kümmern uns um alles andere. Fahren, Camille, wir verlangen nichts anderes von dir als fahren. Für alles andere bist du taub und blind.«
    »Und abgestumpft.«
    »Auch.«
    »Wenn ich die Grundidee richtig verstanden habe«, rekapitulierte Camille, »würde ich den Laster fahren, du und der Wacher würdet neben mir sitzen, um mir Mut zu machen, wir würden Massart erwischen, ich würde ihn aus Versehen überfahren, der Wacher würde ihm den Bauch von der Kehle bis zu den Eiern aufschlitzen, um ein ruhiges Gewissen zu haben, wir würden die Reste in der nächsten Gendarmerie abladen, und dann würden alle hierher zurückkommen, um sich mit einer guten Schüssel Suppe mit Speck zu stärken?«
    Soliman begann sich aufzuregen.
    »Nicht genau so, Camille...«
    »Aber sagen wir, ungefähr so«, ergänzte der Wacher.
    »Findet halt irgend jemanden, der den Viehtransporter fährt«, sagte Camille. »Wer fährt ihn normalerweise?«
    »Buteil. Aber Buteil bleibt in Les Écarts, um sich um das Vieh zu kümmern. Und Buteil hat eine Frau und zwei Kinder.«
    »Während ich nichts habe.«
    »Wenn du so willst.«
    »Such dir einen anderen für dein verdammtes Idioten-Road-Movie.«
    »Dem was?« fragte der Wacher.
    »Dein Road-Movie«, erklärte Soliman. »Das ist Englisch. Das bedeutet eine Art Straßenreise.«
    »Gut«, sagte der Wacher leicht verlegen. »Ich versteh halt gern, worum es geht.«
    »Niemand im Dorf wird uns helfen wollen, Camille«, fuhr Soliman fort. »Suzanne ist allen scheißegal. Aber du hast sie gemocht. Der Gendarm Lemirail auch, aber wir können doch Lemirail nicht darum bitten, oder?«
    »Können wir nicht«, sagte der Wacher.
    »Bring hier keine Gefühle ins Spiel, Sol«, erwiderte Camille.
    »Was soll ich denn sonst ins Spiel bringen? Ich bin ehrlich, Camille: Ich bringe die Gefühle ins Spiel und deinen Führerschein. Wenn du uns nicht hilfst, bleibt Suzannes Seele auf ewig in diesem verfluchten stinkenden toten Fluß eingesperrt.«
    »Nerv mich nicht mit diesem toten Fluß, Sol. Schenk noch mal Schnaps ein und laß mich nachdenken.«
    Camille stand auf, stellte sich vor den Kamin und wandte den beiden Männern den Rücken zu. Suzannes Seele im toten Fluß, Massart unterwegs mit seinem unbehaarten Irrsinn, die Bullen untätig. Massart zurückbringen, ihm die Fangzähne ziehen. Ja, warum nicht? Den Laster fahren, ungefähr vierzig Kubikmeter auf Serpentinenstraßen. Vielleicht.
    »Was ist das für ein Laster?« fragte sie und drehte sich zu Soliman um.
    »Ein 508 D«, antwortete Soliman, »weniger als dreieinhalb Tonnen. Du brauchst keinen LKW-Führerschein.«
    Camille richtete ihren Blick wieder auf den Kamin, es herrschte erneut Schweigen. Also den Laster fahren. Soliman und den Wacher wieder zur Ruhe bringen, Lawrence und seine Wölfe besänftigen. Dem Mörder mit dem Laster auf die Pelle rücken. Lächerlich. Null Chance, richtiger Schwachsinn. Was dann? Hierbleiben, auf Neuigkeiten warten, essen, trinken, sich um die verschwiegenen Dramen der Wühlmäuse kümmern, auf Lawrence warten. Warten, warten. Genervt sein. Angst haben. Abends die Tür verriegeln vor Angst, Massart könnte auftauchen. Warten.
    Camille kam wieder an den Tisch, nahm ihr Glas, benetzte ihre Lippen.
    »Der Laster interessiert mich«, sagte sie. »Suzanne interessiert mich, Massart interessiert mich, aber nicht seine sterblichen Überreste. Ich bringe ihn unversehrt zurück oder gar nicht. Es ist eure Entscheidung. Wenn ich den Laster nehme, kommt Massart unversehrt zurück, vorausgesetzt, wir haben auch nur die geringste Chance, ihn zu finden. Ansonsten bringt ihr ihn als haarigen Brei zurück, wenn euch das beruhigt, aber ohne mich.«
    »Willst du damit sagen, daß wir ihn brav den Bullen ausliefern?« fragte Soliman bekümmert.
    »Das wäre rechtmäßig. Einen Typen zweizuteilen überschreitet die Grenze erlaubter Gewalt unter Nachbarn.«
    »Wir scheißen auf die gesetzliche Grenze«, sagte der junge Mann.
    »Das habe ich kapiert. Es geht nicht um das Gesetz. Es geht um Massarts Leben.«
    »Das kommt aufs selbe raus.«
    »Zum Teil.«
    »Wir scheißen auf Massarts Leben.«
    »Ich nicht.«
    »Du verlangst zuviel.«
    »Das ist eine Frage des Geschmacks. Massart unversehrt mit mir oder Massart als Brei ohne mich. Brei ist nicht mein Ding.«
    »Das hatten wir verstanden«, erwiderte Soliman.
    »Natürlich«, sagte Camille. »Ich laß euch nachdenken.«
    Camille ging zu

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