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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Blutsauger.«
    »Ich bin fertig«, sagte Camille. »Hol deine Sachen und bring den Wacher mit.«
    Zehn Minuten später sah Camille, während sie neben Buteil am hinteren Teil des Lastwagens eine Zigarette rauchte, wie Soliman mit einem Rucksack und einem Wörterbuch unter dem Arm heraufkam.
    »Du nimmst das vordere linke Bett«, bestimmte Buteil.
    »Gut«, sagte Soliman.
    »Sol ist ein ordentlicher Mensch«, sagte Buteil. »Er wird ganz schön Zeit brauchen, bis er seine Schublade eingeräumt hat.«
    »Buteil«, rief Soliman aus dem Innern des Wagens, »hier drin stinkt's ja tierisch!«
    »Was soll ich machen?« entgegnete der Verwalter gereizt. »Wir bauen schließlich keine Zucchini an, sondern halten Schafe.«
    »Reg dich nicht auf. Ich sag ja bloß, daß es stinkt.«
    »Das vergeht, wenn wir fahren«, beruhigte ihn Camille.
    »So ist es.«
    Lawrence kam auf sie zu, gefolgt vom Wacher.
    »›Liebe‹«, verkündete Soliman, während er sich lässig, die Hände an den Hüften, an die Wagentür lehnte, »›Starke Zuneigung einer Person oder einer Sache gegenüber. Ein von den Naturgesetzen gesteuertes Gefühl. Leidenschaftliche Empfindung für eine Person des anderen Geschlechts.‹«
    Leicht irritiert, drehte sich Camille zu Soliman um. ;
    »Das ist das Wörterbuch«, erklärte Buteil. »Er hat alles hier drin«, fügte er hinzu und tippte dabei an seine Stirn.
    »Ich werde mich verabschieden«, sagte Camille und erhob sich vom Tritt.
    Der Wacher stieg in den Transporter und leerte mit einem Schwung den Inhalt seiner Tasche in die Schublade, die ihm Buteil zeigte, die erste rechts, wenn man einstieg. Danach stellte er sich an Solimans Seite neben den Tritt, wartete und drehte sich eine Zigarette aus Pfeifentabak. Gleich nach der Trauerfeier hatte der Wacher wieder seine ausgeleierte Kordhose und seine alte Jacke sowie seine Bergschuhe angezogen und seinen schwarzen Hut mit Band aufgesetzt, der vom Alter schon ganz brüchig und grau vom Staub geworden war. Er hatte sich gekämmt und rasiert und über sein Unterhemd ein sauberes, weißes, etwas steifes Hemd gezogen. Er hielt sich gerade, die Zigarette im Mundwinkel, und stützte sich mit der linken Hand auf seinen Stock. Sein Hund lag ihm zu Füßen. Er holte sein Federmesser hervor und polierte die Klinge auf seinem Oberschenkel.
    »Wann soll's denn losgehen, diese Straßenreise?« fragte er mit seiner dunklen Stimme.
    »Diese was?« fragte Soliman.
    »Dieses Rod-Muwie. Dieses Sich-Fortbewegen.«
    »Ach so. Sobald Camille sich endlich vom Trapper verabschiedet hat.«
    »Zu meiner Zeit küßten die Frauen die Männer nicht vor meinen Augen auf Feldwegen.«
    »Es war deine Idee, sie mitzunehmen.«
    »Zu meiner Zeit«, fuhr der Wacher fort und klappte die Klinge seines Messers zusammen, »steuerten junge Frauen auch keine Lastwagen.«
    »Wenn du ihn hättest fahren können, wären wir nicht in dieser Situation.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich etwas dagegen habe. Es gefällt mir sogar.«
    »Was?«
    »Die Arme dieses Mädchens auf dem Lenkrad des Lastwagens. Das gefällt mir.«
    »Sie ist hübsch«, sagte Soliman.
    »Sie ist mehr als das.«
    Lawrence hielt Camille umschlungen und beobachtete die beiden von weitem.
    »Der Alte hat sich für dich zurechtgemacht«, sagte er. »Ein makelloses Hemd in seiner schmuddeligen Hose.«
    »Er ist nicht schmuddelig«, sagte Camille.
    »Bleibt nur zu hoffen, daß er den Hund nicht mitnimmt. Was muß der stinken!«
    »Gut möglich.«
    »God. Bist du dir sicher, daß du fahren willst?«
    Camille betrachtete die beiden Männer, die besorgt und nervös auf dem Tritt standen und auf sie warteten. Buteil legte letzte Hand an sein Werk und befestigte ein Mofa auf der linken und ein Fahrrad auf der rechten Seite.
    »Ja, ganz sicher«, sagte sie.
    Sie küßte Lawrence, der sie noch lange an sich drückte und ihr dann nachwinkte. Vom Lastwagen aus sah sie, wie er zu seinem Motorrad ging, die Maschine startete und auf der Straße davonfuhr.
    »Und jetzt?« sagte sie zu den beiden Männern.
    »Wir heften uns an seine Fersen«, sagte der Wacher, streckte sich und hob mit majestätischem Blick das Kinn.
    »In welche Richtung? In der Nacht auf Montag war er in La Castille. Das macht fast achtundvierzig Stunden Vorsprung.«
    »Wir fahren los«, sagte Soliman. »Den Plan erkläre ich dir unterwegs.«
    Soliman war ein junger Mann von zarter Gestalt, mit einem klaren Profil, elegant und immer ein bißchen nach oben strebend. Er hatte einen geraden

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