Bei Einbruch der Nacht
Spiel. Die Pedale sind ausgeleiert. Das ist das einzige, was bei dem Lastwagen nachgegeben hat.«
Buteil wandte sich Camille zu und musterte sie fachmännisch von Kopf bis Fuß, ihren langen Körper, ihre feingliedrigen Arme und schmalen Hände.
»Für eine Frau vielleicht ganz hübsch«, sagte er und schnalzte mit der Zunge, »aber weniger gut für einen Lastwagenfahrer. Ich weiß nicht, ob Sie ihn gut auf der Straße halten können.«
»Ich hab solche Laster schon gefahren«, sagte Camille.
»Hier, das geht ganz schwer. Man muß fest ziehen.«
»Wird gemacht.«
»Kommen Sie hoch, ich zeige Ihnen, wie es innen aussieht. Ich habe ihn immer so umgebaut, wenn ich mit den Kindern unterwegs war.«
Buteil öffnete die laut quietschende Hecktür und kletterte in den Wagen. Im Innern herrschte drückende Hitze, und ein beißender Geruch von Wollschweiß stieg Camille in die Nase.
»Während der Fahrt stinkt es weniger«, erklärte Buteil. »Der Wagen stand den ganzen Nachmittag in der Hitze.«
Camille schüttelte den Kopf, und der Verwalter, der plötzlich seine gute Laune wiedergefunden hatte, präsentierte ihr mit einladender Geste sein Werk. Der Viehtransporter war mehr als sechs Meter lang, und Buteil hatte der Länge nach vier Feldbetten aufgestellt, zwei vorne, zwei hinten, getrennt durch eine von der Decke herabhängende Plane.
»Das macht zwei separate Zimmer mit Fenster«, stellte er mit Befriedigung fest. »Vor den Sichtfenstern kann man die Plane hochziehen. Es ist egal, ob man von draußen nach drinnen oder von drinnen nach draußen sehen will, man zieht sie hoch wie einen Vorhang. Wenn man seine Ruhe haben will, läßt man sie runter.«
Buteil zog die Planen hoch, um seine Ausführungen anschaulich zu machen. Das Licht drang durch die Sichtfenster in den gesamten Innenraum des Lasters. »Hier«, fuhr er fort und schob ein schweres, graues Tuch im hinteren Teil beiseite, »das Badezimmer.«
Camille begutachtete die selbstgebastelte Duschkabine, über der ein zum Wasserspeicher umfunktionierter alter Boiler hing, der ungefähr hundertfünfzig Liter Wasser fassen konnte.
»Und die Pumpe?« fragte sie.
»Da«, antwortete Buteil. »Man muß sie jeden zweiten Tag auffüllen. Und hier«, fuhr er fort, »die Toilette. Es, funktioniert wie in den alten Zügen. Man läßt alles hinter sich zurück. Auf der anderen Seite«, er drehte sich herum, »der Gasherd, die Gasflaschen sind voll. In der großen Kiste sind Küchenutensilien, Wäsche, Taschenlampen und was man sonst noch so alles braucht. Hier die Klappstühle. Unter jedem Bett eine Schublade für saubere Wäsche und persönliche Dinge. Alles vorgesehen. Alles durchdacht. Alles funktioniert.«
»O.k.«, sagte Camille.
Sie setzte sich auf eines der Betten hinten links. Ihr Blick schweifte über die dreizehn Quadratmeter des überhitzten Viehtransporters. Buteil hatte weiße Leintücher und Kissen auf die Matratzen gelegt, die in krassem Gegensatz zu dem schwarzen Boden, den rostigen Beschlägen und den verblichenen Planen standen. Allmählich begann sie sich an den Gestank zu gewöhnen. Sie nahm die weiche Matratze, auf der sie saß, in Besitz und dann nach und nach den ganzen Raum. Buteil beobachtete sie, stolz und nervös zugleich.
»Alles funktioniert«, wiederholte er.
»Perfekt, Buteil«, sagte Camille.
»Und keine Angst wegen dem Geruch. Er vergeht, sobald man fährt.«
»Und wenn man nicht fährt? Wenn man schläft?«
»Na ja, wenn man schläft, riecht man nichts, weil man eben schläft.«
»Ich mach mir keine Sorgen.«
»Wollen Sie ihn mal ausprobieren?«
Camille willigte ein und folgte Buteil zur Fahrerkabine. Sie stieg die zwei Trittstufen hinauf und setzte sich auf den Fahrersitz, stellte ihn ein und legte die Unterarme auf das große, glühendheiße Lenkrad. Buteil gab ihr die Schlüssel und trat einen Schritt zurück. Camille zündete, trat die Kupplung und fuhr langsam den Feldweg vor der Schäferei entlang, wendete, fuhr zurück, wendete, fuhr wieder nach vorne. Sie hielt und stellte den Motor ab.
»Es geht«, sagte sie und stieg aus.
Als ob ihn das Hin- und Herrangieren überzeugt hätte, übergab ihr Buteil die Papiere. In dem Moment kam Soliman mit langsamen Schritten auf sie zu. Er sah angespannt aus und starrte mit geröteten Augen vor sich hin.
»Wir fahren los, sobald du fertig bist«, sagte er.
»Essen wir nicht mal mehr hier?«
»Wir essen im Lastwagen. Je länger wir warten, desto weiter entfernt sich der
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