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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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ihr, während sich Doris Anke zuwandte.
    »Dreh dich um. Ich fange hinten an.« Mit gleichmäßigen Bewegungen verteilte Doris die Paste auf Ankes Rücken. Anke war immer noch so dünn wie früher, ihre Rippen waren deutlich zu spüren. ›Beneidenswert‹, dachte sie und |126| sagte: »Du bist aber auch dünn. Wie machst du das eigentlich?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Anke und drehte sich zu ihr um. »Guter Stoffwechsel, ich war doch immer schon so. Bist du fertig? Dann lass mich mal.«
    Doris entspannte sich unter Ankes Handbewegungen und versuchte, die Gedanken wegzuschieben. Es war völlig egal, ob man ihre Rippen fühlen konnte oder nicht. Niemand hatte sie je als dünn bezeichnet. Und heute könnte man sich auf »weiblich« einigen.
    »Ist ein bisschen speckig, oder?«, versuchte sie einen Witz. Anke massierte weiter. Nach einer kurzen Pause antwortete sie: »Sehr schöne Haut. Und du spinnst.«
    Zufrieden schloss Doris die Augen.
     
    In der anderen Ecke fragte sich Katja, ob sie selbst mit Ende zwanzig schon Urlaub in einem Wellnesshotel gemacht hätte. Vermutlich nicht, sie wäre vor Langeweile gestorben. Damals fuhr sie Mountainbike auf Korsika, segelte in Südschweden und ging im Winter Skilaufen am Arlberg. Mehr als eine halbe Stunde herumzusitzen hätte sie verrückt gemacht. Andere Zeiten. Die junge Frau, auf deren Rücken sie gerade die Paste verrieb, stand geduldig und sehr gerade vor ihr. Als Katja fertig war, reichte sie ihr die Schale zurück. »So, bitte. Machen Sie hier eigentlich richtig Entspannungsurlaub?«
    »Nein.« Die Frau lachte auf. »Nur einen Tag. Länger hätte ich auch keine Lust. Einen Tag lang Sauna und so ein bisschen Abhängen finde ich ganz schön, aber das reicht auch. Mein Vater ist fünfundsechzig geworden und feiert das heute Abend hier. Also musste ich sowieso kommen, da kann man die Sauna ja mitnehmen. Und Sie?«
    |127| Vorsichtig setzte Katja sich zurück auf die Bank und fing an, ihre Beine mit dem Peeling zu bearbeiten. »Wir machen hier ein Mädelswochenende. Meine Freundin Doris wird morgen fünfzig.«
    »Mädels?« Sie lachte. »Sagt man das mit fünfzig noch?«
    Irritiert hob Doris den Kopf und sah zu ihnen hin. Katja erwiderte ihren Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. »Klar. Ich schon.«
    Überrascht beugte sich die junge Frau zu ihr. »Sie sind fünfzig? Das hätte ich aber nie gedacht.«
    Katja lächelte und fragte sich im selben Moment, ab welchem Alter man sich freute, wenn man jünger geschätzt wurde. In ganz jungen Jahren war man darüber ärgerlich, danach korrigierte man nur sanft die Schätzzahl, und plötzlich empfindet man die falsche Einordnung als Kompliment.
    Die Frau trat noch einen Schritt näher. »Ich kenne Sie doch. Sind Sie nicht Katja Severin? Aus dem ›Tagesmagazin‹? In der Sauna sehen alle Leute ganz anders aus.«
    »Ungeschminkt auch«, antwortete Katja und begann, das andere Bein zu bearbeiten. »In Ihrem Alter habe ich um diese Tageszeit nie Fernsehen geguckt.«
    »Ich schon.« Die junge Frau lachte wieder. »Ich bin mit einem ständig laufenden Fernseher aufgewachsen, daran habe ich mich gewöhnt. Mein Vater arbeitet bei dem Verein. Sie müssen ihn ja kennen, Hermann Wolter. Mein Name ist übrigens Nele Wolter.«
    Die schmierige Schüssel rutschte Katja aus der Hand. Doris und Anke verharrten in ihren Bewegungen. Nur Nele Wolter plapperte weiter.
    »Das ist ja witzig. So klein ist die Welt. So, ich glaube, ich verzichte auf die restliche Pampe, mir ist zu warm und |128| meine Haut ist völlig okay. Ich gehe duschen. Also, vielleicht sehen wir uns noch, ansonsten viel Spaß. Danke fürs Einschmieren.«
    Sie verließ die Dampfsauna, die Tür klappte zu und kurz darauf hörte man die Dusche aus dem Nebenraum.
    »Das glaube ich jetzt nicht.« Doris starrte noch immer auf die Tür. »Wie findet ihr denn das?«
    Katja angelte nach der Papaya-Schale. »Vielleicht ist hier diese ›Versteckte Kamera‹. Ich habe Hermann seit über einem Jahr nicht gesehen, seine Tochter noch nie und jetzt bekomme ich heute die volle Breitseite. Am liebsten würde ich abreisen.«
    »Vergiss es.« Anke warf ihr einen drohenden Blick zu. »Ich verstehe dich auch nicht. Wenn du früher schon die Orte gemieden hättest, an denen du Ex-Lovers treffen könntest, wärst du nach der 11.   Klasse von der Schule gegangen und hättest die Stadt verlassen. Das ist doch nicht der erste Typ, mit dem du mal was hattest.«
    »Anke, bitte.« Doris guckte missbilligend.

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