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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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den Familienweihnachten bei mir vor der Tür stand, völlig unbekümmert mit einem schweineteuren Armreif in der Hand und so, als wäre alles toll, da wollte ich das plötzlich alles nicht mehr. Ich weiß nicht, wie sich bei dir als erwachsener Singlefrau das Weihnachtsfest gestaltet, aber bei mir war es der Albtraum. Ich war mit meinem Vater und seiner Frau essen, sehr teuer und natürlich edel, wir hatten uns überhaupt nichts zu sagen. Anschließend gab es in ihrem Haus tatsächlich einen albernen Weihnachtsbaum, klassische Musik aus der teuren Anlage, schweren Rotwein und eine blöde Bescherung. Ich bekam einen silbernen Schlüsselanhänger. Grauenhaft. Am nächsten Tag hatte ich Migräne, am zweiten Weihnachtsfeiertag habe ich gearbeitet, am Tag danach kam Hermann, weil ja wieder Alltag war. Das war zu viel. Und es war ja nicht das erste Mal.«
    »Und dann hast du den Armreif genommen und ihn rausgeschmissen?«
    Anke verdrängte den Gedanken an ihre letzten Weihnachtsfeiertage. Dagegen war Katjas Erinnerung die reinste Party.
    »Nein. Wir haben sogar noch Champagner getrunken und miteinander geschlafen. Eigentlich wollten wir im Januar zusammen zum Skilaufen fahren. Und dann teilte er mir mit, dass daraus nichts werde, er habe das Gefühl, dass seine Frau |118| etwas ahne, und keine Lust, sich diesem Stress auszusetzen. Nach fünf Jahren! Da ist mir dann endgültig der Kragen geplatzt. Ich habe ihm ganz ruhig ein Ultimatum gestellt: Entweder er trennt sich von seiner Frau oder ich mich von meiner Diskretion.«
    »Und dann?« Anke fragte nur aus Höflichkeit. Es war ja immer dasselbe: Ehemann sucht sich Geliebte zur Entspannung, Ehefrau sitzt am längeren Hebel, Geliebte will geheiratet werden, Ehefrau will sich nicht scheiden lassen, Geliebte sucht sich Neuen, Ehepaar feiert Hochzeitstag auf einer Kreuzfahrt. Alles Klischees, Anke war nur enttäuscht, dass Katja bei diesen Spielchen mitgemacht hatte.
    »Erst nahm er mich nicht ernst, dann warf er mir Unverständnis vor, dann kamen Liebesbeteuerungen und dann habe ich ihn samt Armreif rausgeschmissen. In den Wochen danach habe ich weder auf seine Anrufe noch auf irgendwelche SMS reagiert, und dann kam von der Produktionsleitung ein Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich nicht mehr zum Moderationsstab gehöre, dass man mir aber, als langjähriger Mitarbeiterin, einen Job im Regionalbüro in Kiel anbiete. Natürlich mit geringeren Bezügen.«
    Entsetzt sah Anke sie an. »Und das hast du mit dir machen lassen? Bist du verrückt? Ich dachte immer, das wäre deine Entscheidung gewesen.«
    »Nein.« Katja verschränkte ihre Hände hinter dem Nacken. »Es war natürlich eine Degradierung. Und ich finde die Arbeit im Regionalsender zum Brechen langweilig. Und das wusste Hermann. Er war sich wohl sicher, dass ich das Angebot ablehne und einfach von der Bildfläche verschwinde. Aber da hatte er sich geschnitten. Ich entscheide selbst, wann ich gehe.«
    |119| »Aber du hast es doch nicht entschieden. Du bist doch nach Kiel gegangen worden.«
    »Schon.« Jetzt lächelte Katja. »Aber ich bin immer noch beim Sender, ich tauche immer noch auf den Personallisten auf, ich werde immer noch zu Weihnachtsfeiern eingeladen und die Kollegen fragen sich immer noch, warum ich nicht mehr moderiere. Und Hermann schwitzt. Ich kann das alles aushalten. Und langsam gewöhne ich mich an das Regionalzeug, man arbeitet sich da wenigstens nicht tot.«
    Anke musste diese Geschichte erst einmal verdauen. »Und ich hab dir geglaubt, als du erzählt hast, dass du einfach keine Lust mehr hattest, überall erkannt zu werden, und dich deshalb in die Redaktion zurückgezogen hast. Und wie ist es jetzt? Bist du nur sauer auf ihn oder trauerst du der Sache noch nach?«
    »Ach, Kerner.« Katja streckte ihre Arme nach oben. »Ich bin nicht gut im Analysieren, das weißt du doch. Ich tanze lieber alles weg. Aber als ich ihn vorhin gesehen habe, war das einfach ein Scheißgefühl. Anke, ich will das nicht. Ich möchte nicht alt und sentimental werden, ich möchte eine schöne Zeit mit euch und nicht an Dinge denken, die nicht mehr zu ändern sind. Mach was. Du hattest doch früher immer so gute Ideen. In was für ein Hotel sind wir da geraten? Gestern diese Monika, heute Hermann, ist das die späte Rache für unsere schlechten Gedanken oder was ist hier los?«
    Anke strich Katja eine Haarsträhne hinters Ohr und betrachtete sie nachdenklich. Katja Severin und Doris Goldstein-Wagner, vor zehn Stunden

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