Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
doch wirklich schön geworden. Soll ich sie noch ein bisschen schminken, Frau Kerner?«
»Nein, wirklich nicht.« Anke wehrte das Angebot energisch ab. »Aber vielen Dank. Es gefällt mir sehr.«
»Es gibt auch wasserfeste Wimperntusche.« Katja beugte sich zum Spiegel und kontrollierte ihre eigene. »Da verschmiert nichts.«
»Trotzdem nicht.« Anke wartete, bis Frau Krämer sie von dem Frisierumhang und mit einem großen Pinsel von den letzten kleinen Härchen befreit hatte. Dann stand sie auf und sah sich unsicher um »Ja, und ähm, dann …?«
|170| »Oh, Frau Goldstein-Wagner hat schon alles bezahlt.« Frau Krämer lächelte Anke an. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt. Vielleicht bis zum nächsten Mal.«
Vor dem Salon sagte Katja, mit einem Blick auf Anke: »Wenn Doris dich mit diesem Ergebnis sieht, flippt sie vor Freude aus.«
Anke hakte sich bei Katja unter und sagte nur: »Lass uns mal auf die Suche nach Doris gehen. Wie gesagt: Ich habe einen Mordshunger.«
Nur ein paar Meter weiter kam ihnen plötzlich der Treppenhausmann entgegen. Überrascht blieb er stehen. Als Anke auf seiner Höhe war, nickte er ihr zu. »Schön. Aber das Grau gefiel mir auch.« Leise pfeifend schlenderte er weiter, während ihm Anke verblüfft nachsah.
»Was bildet der Affe sich eigentlich ein? Das ist doch das Letzte. Macht jede Frau hier an, obwohl er die eigene dabei hat. Widerlich.«
Unbekümmert blickte Katja sie an. »Ich glaube, er macht nur dich an. Sonst hätte er das bei Doris und mir ja auch versucht, aber ich sage dir, keine Spur davon. Übrigens heißt er Georg. Nur falls es dich interessiert.«
»Es interessiert mich nicht«, gab Anke zurück und stellte verärgert fest, dass ihr Puls schneller ging. »Woher weißt du das denn schon wieder? Hast du ihn gefragt?«
»Nein. Seine Begleitung hat ihn vorhin so genannt. Guck mal, da ist Doris, zum Glück allein. Dann können wir uns ja was zu essen suchen.«
Doris musste Anke immer wieder ansehen und konnte überhaupt nicht aufhören, sich zu begeistern. Trotzdem wollte |171| sie die Begegnung zwischen dem Ehepaar Wolter und Katja endlich durchhecheln.
»Er hat ja wirklich etwas furchtbar Selbstgefälliges. Aber du, Katja, kannst doch auch nicht einfach dasitzen und ihn provozieren. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Das wäre ja beinahe eskaliert, und das in so einem Hotel.«
Ungerührt biss Katja in ein Sandwich mit Thunfisch und Salat. »Hast du gesehen, wie er geschwitzt hat?« Ihre Aussprache war undeutlich. »Das wäre nie eskaliert. Zu warm.«
»Katja.« Vorwurfsvoll starrte Doris sie an. »Hättest du dich nicht ein bisschen zurückhalten können?«
»Ich?« Mit gerunzelter Stirn ließ Katja ihr Sandwich sinken. »Sag mal, das meinst du doch nicht im Ernst? Du hast sie doch nicht mehr alle. Ich hätte ihn gerade eben kastrieren sollen!«
»Aber Katja, du hast deinen jungen Liebhaber und einen guten Job. Du kannst doch wirklich über der Sache stehen.«
Ungehalten ließ Katja den Rest des Essens auf den Teller fallen. »Ich habe keinen guten Job mehr. Das weißt du. Über der Sache stehen! Warum? Damit alle Leute mich nett finden? So ein Blödsinn. Doris, wach doch auf, wir müssen uns nicht mehr alles gefallen lassen. Wir sind keine jungen Hühner mehr. Ich habe dieses kleine Treffen jedenfalls genossen, ich finde Rache nämlich manchmal ausgesprochen angenehm. So, und jetzt gehe ich noch mal in die Sauna und schwitze meine beginnende schlechte Laune aus. Und du, Doris, kannst dir vielleicht überlegen, ob man nicht auch anders reagieren könnte.«
Sie stand auf und ging, während Doris ihr betreten nachsah und Anke das Sandwich von Katjas Teller angelte.
»Die ist aber sauer. Musste diese Kritik denn jetzt sein?«
|172| »Das war gar nicht so gemeint.« Doris stützte ihr Kinn auf die Faust. »Ich habe immer Angst vor Streit und Szenen und dachte die ganze Zeit, dass gleich etwas passieren würde.«
»Immer schön die Contenance wahren, nicht wahr? Das hast du selber aber heute Morgen nicht besonders gut hingekriegt.« Ankes spöttischer Blick streifte sie nur kurz. »Alles unter Kontrolle halten und bloß nichts zulassen, was das Leben durcheinanderbringt. Du bist feige, Goldstein, manchmal ist die Wahrheit besser, auch wenn sie brutal ist.«
»Aber es bringt doch nichts, alte Geschichten wieder auszukramen, ändern kann man sowieso nichts mehr.«
Anke betrachtete sie nachdenklich und fragte sich, ob Doris bei
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