Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
(Doris hasste bunte), ohne Musik, weil im Radiowecker NDR Info eingestellt war, immerhin bei eingeschalteter Nachttischlampe, aber selten länger als eine halbe Stunde.
Ganz am Anfang ihrer Beziehung, nach dem ersten unbeholfenen Mal, hatten sie sich an ungewöhnlichen Orten getroffen, zum Beispiel an einem Hochsitz im Wald, am einsamen Ufer eines Baggersees oder im Geräteraum der Turnhalle, zu der Torsten als Sprecher des Leistungskurses Sport einen Schlüssel hatte.
Doris starb jedes Mal tausend Tode, vor lauter Angst, von einem Spaziergänger, dem Hausmeister oder gar irgendwelchen Lehrern ertappt zu werden. Sie machte mit, weil sie in Torsten verliebt war und den Sex mit ihm mochte, und schlug drei Kreuze, als sie erwachsen genug waren, in einem ordentlichen, frisch bezogenen Bett danach zusammen einschlafen zu können. Sie war nicht geschaffen für exotische Plätze, die waren für sie auch nicht erotisch, sondern unbequem, und später war sie eher erleichtert, wenn alles seinen geregelten und gewohnten Gang ging.
Gewohnt war es immer noch. Regelmäßig nicht mehr. Doris hatte bislang erfolgreich verdrängt, dass ihr Sexlife auf extrem kleiner Flamme kochte. Torsten wirkte oft enttäuscht, versuchte auch schon mal, darüber zu reden, aber Doris verlor sich in Ausreden, zu müde, zu kaputt, Rückenschmerzen. Und wenn ihr gar nichts mehr einfiel, stellte sie |179| sich schlafend und hoffte, Torsten würde Rücksicht nehmen. Darauf konnte sie sich meistens verlassen. Die Wahrheit war, dass sie keine Lust mehr hatte. Sie fand es widerlich, im Arm ihres Mannes einen Schweißausbruch zu bekommen, sie hörte in ihren Körper hinein und wartete auf Signale, die erotische Phantasien auslösten, aber es passierte nichts.
Ausgerechnet in dem Gespräch mit Hermann und Angelika hatten sich diese Gedanken in ihren Kopf geschlichen. Bei der Vorstellung, wie Hermann mit Katja schlief, hatte sie plötzlich das Bild von Torsten vor Augen. War sie sich wirklich sicher, dass er keine außerehelichen Affären hatte? Er war fünfzig, attraktiv, sportlich, charmant und hatte kaum noch Sex mit ihr. Weil sich ihre Bedürfnisse auflösten, in einem zähen Strudel aus Sentimentalitäten, Selbstmitleid und Weißwein.
Sie ließ sich rücklings auf ihr Bett fallen und die Tränen waren nicht mehr aufzuhalten.
Am anderen Ende des Ganges klopfte Katja an Ankes Tür. »Bist du fertig?«
Noch in Unterwäsche öffnete Anke nach einer Sekunde.
»Gleich. Komm rein. Ich bin im Sessel einen Moment eingeschlafen. Ich ziehe mich nur noch an.«
»Lass dir Zeit.« In aller Ruhe betrachtete Katja die Klamotten, die Anke auf dem Bett ausgebreitet hatte. »Hast du Modenschau gemacht?«
Unwillig kratzte Anke sich am Kopf. »Das ist alles blöd. Ich wusste ja nicht, dass wir hier auch noch groß ausgehen würden, und habe nur doofe T-Shirts und Blusen mit. Was soll ich denn nachher anziehen?«
»Willst du dich für den Retter Georg hübsch machen?« |180| Mit kritischem Blick hielt Katja eine Bluse hoch. »Die geht doch. Ich kann dir meinen grünen Schal dazu leihen.«
»Was für ein Retter Georg?« Anke schlüpfte schon mal in die Jeans. »Ach, der Treppenhaustyp? Das ist doch Schwachsinn, was soll der damit zu tun haben? Ich habe im Moment weiß Gott andere Probleme, als mich von so einem Affen anbaggern zu lassen. Du hast doch so eine Geschichte hinter dir. Da kannst du mir doch nicht ernsthaft empfehlen, irgendeiner Trulla den Kerl auszuspannen! Wozu auch?«
»Und wenn er gar keine Trulla hätte? Was würdest du dann denken?«
»Katja.« Energisch nahm Anke ihr die Bluse aus der Hand. »Jetzt mal ernsthaft: Ich bin achtundvierzig. Ich habe ziemlich viele Beziehungsdesaster hinter mir. Meine Lebensplanung ist abgeschlossen, ich lebe gut allein, mein Job ist zwar nicht der allergrößte, den ich mir vorstellen kann, aber ich kann mit seiner Hilfe diese Scheißschulden abbezahlen, auch wenn es noch Jahre dauert. Mein Leben ist jetzt nicht die Riesenparty, aber es ist zumindest sehr ruhig. Und so soll es auch bleiben.«
»Und deshalb willst du dich nie wieder verlieben? Und dich nie mehr auf etwas Neues einlassen?« Katja setzte sich mit spöttischem Lächeln auf einen Pullover, der noch auf dem Bett lag.
»Verlieben?« Mit einem Ruck zog Anke den Pulli unter Katjas Hintern weg und legte ihn ordentlich zusammen. »Ich habe dich extra nicht gefragt, ob du in deinen jugendlichen Liebhaber verliebt bist, weil ich dir eine Erklärung ersparen
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