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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Erscheinung. Sie war bei Verstand. Sie konnte es trotzdem nicht fassen. Vor ihrer Tür, bewaffnet mit einer Pikkoloflasche Sekt und zwei Gläsern stand Margret Goldstein und klopfte.
    Doris unterdrückte ihren Seufzer, drehte auf dem Absatz um und lief, so schnell sie konnte, die Treppe nach unten. Hatte sie sich nicht vorhin darüber beschwert, dass das Leben keine Überraschungen mehr bereithielte? So etwas aber hatte sie sich nicht gewünscht. Im Leben nicht.
    Sie beeilte sich, zurück zur Promenade zu kommen.
    Anke sah hoch und streckte die Hand aus. »Du warst aber schnell. Jacke?«
    Katja hob ebenfalls den Arm. »Schampus?«
    Doris ließ sich auf die Bank sinken und schüttelte den Kopf. »Nichts.«
    »Schlüssel verloren?« Katja gähnte schon wieder. »Oder hast du beschlossen, das teure Zeug doch lieber allein zu trinken. Wenn du fünfzig bist.«
    »Meine Mutter.«
    »Mit deiner Mutter?« Anke lachte auf, dann stutzte sie und sah Doris an. »Hat sie angerufen? Ich denke, dein Handy ist zerbröselt?«
    »Sie ist hier. Im Hotel. Oben auf dem Flur.«
    »Du hast Halluzinationen. Das kommt vom Rotwein. Man sollte nie Rotwein zum Zander trinken, das geht auf die Augen.«
    »Katja, das ist mein Ernst.« Doris rieb sich heftig die |243| Stirn. »Ich habe sie zum Glück rechtzeitig gesehen. Sie stand mit einem billigen Pikkolo vor meiner Tür und klopfte. Das macht sie wahrscheinlich jetzt die ganze Nacht über.«
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Katja. »Das macht sie vielleicht noch eine halbe Stunde und dann lässt sie die Tür aufbrechen. Also erschrick nachher nicht, wenn du ins Bett gehst. Da liegt dann schon jemand.«
    »Sie hat sich doch bestimmt ein Zimmer gebucht.« Anke versuchte, Doris zu beruhigen. »Oder meinst du, dass sie einfach so hier aufkreuzt und mit dir im Doppelbett schlafen will? Eigentlich ist das doch ganz süß, dass sie als Erste gratulieren möchte. Meine Mutter würde nicht auf die Idee kommen, mitten in der Nacht irgendwohin zu fahren, nur weil ich um Mitternacht Geburtstag habe.«
    »Es geht ihr mit Sicherheit nicht ums Gratulieren«, entgegnete Doris resigniert. »Sie hat Angst, dass ich morgen nicht rechtzeitig oder gar nicht zu der Feier komme. Stellt euch doch vor, wie alle Gäste gespannt darauf warten, dass ich vor Freude über die Überraschung in Tränen ausbreche, und dann komme ich gar nicht. Was glaubt ihr, was die sagen? Das fällt doch alles auf Margret Goldstein zurück. Diese Schmach!«
    »Du übertreibst.« Katja knöpfte ihre Jacke zu. »Damit hat sie doch nichts zu tun.«
    »Sie hat mit allem etwas zu tun. Um meine Mutter dreht sich die Welt, das war früher schon so und wird mit jedem Jahr schlimmer.«
    Fröstelnd schlang Anke ihre Arme um sich. »Und müssen wir die ganze Nacht hier sitzen bleiben? Mir ist jetzt schon kalt. Außerdem brauchen wir etwas zu trinken.«
    »Das ist doch echt das Letzte.« Doris fuhr sich wütend |244| durch die Haare. »Muss sie mir so den Abend versauen? Ich traue mich überhaupt nicht mehr ins Hotel, ich laufe ihr garantiert in die Arme. Und dann haben wir sie an der Hacke. Da werde ich fünfzig und sitze mit Mutti in der Bar, das glaube ich nicht. Ihr habt überhaupt keine Vorstellung, wie sie uns gleich volltextet. An jedem Geburtstag erklärt sie vorwurfsvoll, wie schwer meine Geburt war, und dass ich von Anfang an keine Rücksicht auf sie genommen hätte. Ich könnte schreien.«
    »Dann weiß sie, wo du bist.« Katja fand die Situation fast komisch. »Das ist mir auch lange nicht passiert, dass ich irgendwo im Kalten sitze und mich nicht nach Hause traue, weil ich Angst davor habe, dass Mutti Theater macht. Doris, fühlst du dich nicht sofort 35   Jahre jünger? Ich glaube, ich rauche auch gleich eine Zigarette. Heimlich und im Dunkeln. Herrlich. Wir müssen nur an den Schampus rankommen. Es ist doch schade um das gute Zeug.«
    Doris konnte selbst darüber nicht lachen. »Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann doch auf keinen Fall   …«
    Anke streckte die Hand aus. »Mich erkennt sie bestimmt nicht. Gib mir mal deinen Zimmerschlüssel. Ich sehe nach, ob die Luft rein ist, dann hole ich den Champagner aus dem Kühlschrank. Und den trinken wir in meinem Zimmer. Du kannst auch bei mir schlafen, wenn deine Mutter vor deiner Tür campiert. Ich habe sogar eine Ersatzzahnbürste dabei.«
    »Sehr gute Idee, Kerner«, sagte Katja anerkennend. »Doris, du bleibst hier und zählst bis 300, dann kommst du vorsichtig nach und wartest

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