Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
aus dem Fenster geguckt und Frau Schröder gesehen.«
|239| Sie musste abbrechen, weil sich das Lachen schon wieder seinen Weg bahnte. Katja runzelte die Stirn. »Frau Schröder? Mathe-Schröder? Was war denn an der lustig?«
»Sie rutschte auf dem glatten Weg aus.« Doris schnappte nach Luft. »Sie hatte so einen Karnickelpelz an, bodenlang, und sie fiel auf den Rücken. Und dabei rutschte ihr die Pelzmütze übers Gesicht. Sie sah … sie sah …« Vor lauter Lachen erstarb ihre Stimme, aber mit letzter Atemkraft brachte sie den Satz zu Ende: »Sie sah aus wie ein toter Hund. Alles voller Fell.« Wimmernd wischte Doris sich über die Augen.
Anke putzte sich die Nase. »Doris bekam einen solchen Lachanfall, dass sie ins Torkeln geriet. Die ganze Aula war voll mit Eltern und Schülern, die regungslos dasaßen und nicht nach draußen gucken konnten. Sie sahen nur Doris. Und die stürzte vor lauter Lachen von der Bühne. Sie hat es ja gesagt: Außenbandriss.«
»Und hat denn keiner Frau Schröder geholfen?« Katjas Frage ging in einer neuen Lachsalve unter.
Während sie noch auf die Antwort wartete, lief einer der Versicherungsvertreter an ihrem Tisch vorbei. »Und das nennen Sie mitteleuropäisch?«
Doris war nicht einmal in der Lage, ihn anzusehen.
|240| M ir tun die Rippen weh«, stöhnte Doris eine halbe Stunde später. Sie saß zwischen Anke und Katja auf einer Bank an der Promenade und erholte sich nur langsam von der Erinnerung an den schröderschen Fellhaufen.
»Und mein gesamtes Make-up ist verlaufen.«
»Sieht kein Mensch«, sagte Katja. »Es ist sowieso dunkel. Und in die Bar können wir nicht zurück. Die müssen uns doch für völlig geisteskrank halten.«
Anke kicherte. »Erst faltet Katja die Jungs zusammen, weil sie sich nicht benehmen können, dann entschuldigen die sich mit einer Flasche Rotwein, und anschließend flippen wir aus. Und lassen auch noch den Wein stehen. So was Beknacktes.«
»Aber schön war’s.« Doris streckte ihre Beine aus und seufzte. »Ich habe ewig nicht mehr so gelacht. Morgen werde ich Muskelkater haben. Es war doch wirklich eine super Idee, dieses Wochenende hier zu verbringen, oder?«
»Nur weil du gelacht hast?« Katja sah sie von der Seite an. »Wegen eines Fellbergs? Das hättest du auch billiger haben können.«
Beim Stichwort »Fellberg« rang Doris schon wieder um Fassung, bekam sich dieses Mal aber noch in den Griff.
»Nein. Auch weil wir so viel geredet haben. Und weil ich mich wieder ganz gut leiden kann. Wie spät ist das denn eigentlich? Wie lange habe ich denn noch die Vier vorne?«
|241| »Halbe Stunde.« Katja gähnte plötzlich. »Ich glaube, ich gehe ins Bett.«
Doris drehte sich entsetzt zu ihr um, aber Katja zog lachend den Kopf ein. »War ein Scherz.«
»Dein schlechtester, heute Abend. Ich geh jetzt schnell in mein Zimmer und hol den Schampus aus dem Kühlschrank. Stoßen wir dann hier an? Es ist noch so schöne Luft. Oder ist euch kalt?«
Anke verschränkte ihre Arme. »Mir ist seit einer halben Stunde kalt. Aber das interessiert ja niemanden.«
»Ich bring dir eine Jacke mit.« Doris stand bereits. »Noch was?«
»Nüsse.« Katjas Antwort wurde nicht mehr kommentiert.
Doris ging schnell an der Bar vorbei, nicht weil es ihr peinlich war, sondern weil sie befürchtete, wieder loszuplatzen. Beschwingt machte sie einen Bogen um den Fahrstuhl und lief die Treppe hinauf. Den Champagner hatte sie von zu Hause mitgebracht. Ihr fiel ein, dass sie beim Einpacken plötzlich unsicher geworden war. Mit der Flasche in der Hand hatte sie sich vorgestellt, dass dieses ganze Unternehmen auch in einem riesigen Desaster enden könnte. Was wäre gewesen, wenn sie gemerkt hätten, dass sie sich fremd geworden waren, sich nichts mehr zu sagen hatten und dass sich jede von ihnen nur wünschte, die Zeit möge so schnell wie möglich vorbeigehen? Aber es war anders gekommen. Wunderbar anders.
Sie nahm zwei Stufen mit einem Schritt und spürte sofort den Schmerz im Knie. Auch wenn sie sich noch so jung fühlte, hinkte das Knie hinterher. Wenigstens war ihr im Moment nicht heiß. Sie lächelte über sich selbst, als sie um die Ecke in den Flur zu ihrem Zimmer bog. Und dann hatte |242| sie eine Erscheinung, die sie sofort einen Satz rückwärts machen ließ, Knie hin, Knie her. Mit dem Rücken an der Wand blieb sie stehen und atmete flach.
Zwei, drei Schrecksekunden später beugte sie sich vorsichtig vor und lugte um die Ecke. Sie hatte keine
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