Bei Interview Mord
Fach Berufsverkehr kam ich in Elberfeld auf dem Brill an. Ich hatte den Klingelknopf noch nicht wieder losgelassen, da näherte sich Juttas Gestalt hinter der Milchglasscheibe.
»Tut mir Leid, aber der Verkehr…«
Jutta trug einen dunklen Rock, einen weinroten Pullover, darüber einen grauen Trenchcoat. Sie nahm ihre Tasche von dem Tischchen, auf dem ich am Abend vorher die CD hinterlassen hatte. Die Diele war voller Parfümduft.
»Es tut mir wirklich Leid wegen gestern«, sagte sie. »Aber das hat mich alles mehr mitgenommen, als ich mir selbst gegenüber zugeben wollte.« Jutta redete weiter, während wir die Stufen hinuntergingen. Ich voran. Ihre Absätze klackerten. »Ich kann kaum schlafen, und wenn ich dann doch mal einschlafe, träume ich schreckliche Sachen, von denen so eine diffuse depressive Stimmung zurückbleibt.«
»Es ist ja auch keine Kleinigkeit, einen Mord so unmittelbar mitzuerleben«, sagte ich.
»Und es ist ja nicht nur das. Wenn ich nur endlich wüsste, ob das mit den Interviews weitergeht.« Sie seufzte. »Ich hätte heute Claudia anrufen sollen. Aber ich hab mich davor gedrückt.« Wir stiegen in den Wagen, und ich fuhr los.
»Würdest du jetzt sofort ein neues Interview machen, oder würde es dich psychisch überfordern?« Es war sicher nicht schlecht, schon mal vorzufühlen.
Jutta sah nachdenklich aus dem Fenster. Wir waren im Tal angekommen und standen am Daumplatz vor einer roten Ampel.
»Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Es wäre wohl am besten, wenn ich mich jetzt auf das nächste Thema konzentrieren könnte. Das würde mir Abstand zu dieser furchtbaren Sache bringen, und mit meiner Journalistenkarriere würde es doch noch was.«
»Vergiss nicht, dass du die richtig große Story kriegst, wenn ich den Fall vor der Polizei löse«, sagte ich. »Dann musst du dich allerdings zusammenreißen und dich noch mal damit beschäftigen.«
Die Ampel wurde grün, und wir gelangten auf die Bundesallee, die uns durch das ganze Wuppertal führen würde.
Jutta sah zu mir herüber. »Sieht es denn so aus, als ob du es schaffst? Ich denke, die ganze Sache ist sowieso gegessen, weil die Polizei jemanden verhaftet hat?«
»Da denkst du falsch. Es ist noch lange nicht klar, dass Hubert Pfaff, den sie festgenommen haben, auch der Täter ist. Erstens: Ein Auftragsmörder fährt nicht mit seinem eigenen alten Kennzeichen herum. Aber das ist nicht alles. Ich habe Informationen, die die Polizei nicht hat. Deswegen musste ich ja auch so dringend mit dir reden.«
Jutta machte ein erstauntes Gesicht, und ich grinste zufrieden vor mich hin. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sehr gut. Sie rutschte etwas tiefer in ihren Sitz und strich sich den Rock zurecht.
»Schieß los«, sagte sie.
Ich verschwieg, dass ich bei Manni übernachtet hatte und deshalb heute Morgen ziemlich spät losgefahren war. Stattdessen begann ich mit einer dramatischen Schilderung, wie ich parallel zur Pressekonferenz der Polizei in null Komma nix herausgefunden hatte, wer sich hinter dem Kürzel Hubert P. verbarg.
»Wer hat dir das denn erzählt?«, fragte Jutta misstrauisch.
»Man hat so seine Kontakte. Pfaff ist schließlich ein alter Kunde. im kriminellen Milieu. Und jeder, der sich auch nur ein bisschen in der Szene auskennt…«
»Mach halblang«, rief Jutta. »Weiter.«
Ich ging zu meinem Besuch bei Heike Quisselborn über und erwähnte auch die seltsamen Nachbarn. Ich musste Jutta ja langsam auf das vorbereiten, was kam.
»Weißt du, was mich wundert?«, sagte sie. »Dass dir dieses Mädchen das alles erzählt. Wahrscheinlich hat sie Angst vor dir.«
»Die und Angst? Wenn man mit ihr redet, glaubt man eine Dreißigjährige vor sich zu haben. Mindestens. Du hast sie doch kennen gelernt.«
»Ja, das stimmt. Aber merkwürdig ist es trotzdem. Sie hat dich gar nicht gefragt, warum du dich überhaupt für den Fall interessierst? Wer du eigentlich bist?«
»Wer ich eigentlich bin, wollte sie sehr genau wissen. Sie hat sich nicht nur meine Lizenz, sondern auch meinen Personalausweis und den Führerschein zeigen lassen. Der Rest war ihr egal. Ich glaube, dass dieses Mädchen einen sechsten Sinn besitzt. Sie weiß einfach, wem sie vertrauen kann und wem nicht.« Ich dachte kurz nach. »Kann sein, dass diese Fähigkeiten manche in ihrer Umgebung in den Wahnsinn treiben. Die Mutter zum Beispiel.« Ich erzählte, dass Heikes Mutter anfangs gegen die Hochzeit Heikes mit Landauer gewesen war.
»Kann es nicht sein, dass
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