Bei Interview Mord
Straße hinunter. Ich wartete vor dem Eingang. Die Mainacht war mild, und die Aussicht über die Lichter von Wuppertal beruhigend.
Genau siebzehn Minuten später war Jutta zurück. Mit einer Tasche auf dem Rücken.
»Aufräumen könntest du ja wirklich mal«, sagte sie, als sie sich den Helm vom Kopf genommen hatte. »Vor deiner Haustür lungert übrigens ein Typ rum, der sieht aus wie ein Zuhälter. Der hat mich angesehen, als wolle er mich gleich auf einem Sklavenmarkt verhökern.«
»Hat er was gesagt?«
»Nein, aber ich.«
»Und was?«
»Rott ist nicht zu Hause. Und so schnell kommt er auch nicht mehr.«
Ich erschrak. »Was ist, wenn er dir gefolgt ist?«
»Quatsch. Als ich wieder runterkam, war er weg.«
Ich schüttelte den Kopf und blickte die Straße hinunter. Ich rechnete damit, dass Piet jeden Moment auftauchte.
»Lass uns lieber machen, dass wir raufkommen«, sagte ich.
Motorrad
Jutta weckte mich um halb neun, und als ich in ihre große Küche kam, war bereits der Tisch gedeckt - mit Brötchen, Orangensaft, Eiern und allem Drum und Dran inklusive mehrerer Zeitungen, in denen über den »Teil von Gladbach« aber nichts Neues stand. Nur Informationen über Pfaffs Verhaftung, den alle Medien diskret »P.« nannten.
Eine Dreiviertelstunde später stieg Jutta auf ihr Motorrad, ich in meinen Golf. Auf der Autobahn spielte sie Spielchen mit mir - hielt sich manchmal hinten, manchmal vorn, überholte dann wieder. Auf der geraden Strecke zum Hildener Kreuz gab sie Gas, dass es nur so donnerte. Erst an der Stelle, wo die A 3 die Wupper überquerte, ließ sie sich wieder einholen.
Die Schreibersheide lag wie ausgestorben da. Vor Landauers Haus stand der silberne Kombi. An den Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen.
Ich folgte Jutta zwischen den hohen Grasstauden hindurch zu dem Bungalow der Kley-Knöters. Der Weg führte über Natursteinplatten und endete vor einer weiß gestrichenen Holztür mit Spion. Auf einem silberfarbenen Schild an der Seite stand in schwungvoller Schreibschrift »Kley-Knöter«. Darüber war in einer runden Platte der Klingelknopf eingelassen. Jutta drückte. Ein dunkles Ding-Dong ertönte. Kurz darauf sah uns eine Frau durch eine große, dick umrandete Brille streng an.
Jutta schaltete sofort auf sympathische Journalistin um. »Frau Kley-Knöter? Guten Tag, Jutta Ahrens von Radio Berg. Freut mich, dass wir zu Ihnen kommen dürfen. Das ist unser Mitarbeiter Herr Rott. Sie hatten ja telefoniert.«
Sie hielt der Frau die Hand hin. Frau Kley-Knöter nahm sie, begrüßte auch mich, und sie machte dabei immer noch ein so ernstes Gesicht, als warte sie auf eine Entschuldigung für irgendetwas. Ihre Augenbrauen stürzten über der Nase hakenförmig nach unten. Der Mund wirkte spitz. Sie erinnerte mich an eine Grundschullehrerin aus einem Horrorfilm.
Frau Kley-Knöter reckte den Kopf und blickte auf irgendetwas hinter uns. Dann betrachtete sie misstrauisch Jutta, die in lederner Motorradkluft dastand - in der einen Hand ihren Helm, in der anderen eine Aktentasche.
»Kommen Sie nicht mehr mit dem kleinen schwarzen Auto?«, wollte die Schriftstellerin wissen.
»Sie meinen den Radio-Berg-Reportagewagen«, sagte Jutta. »Wir hatten heute noch keine Zeit, in den Sender zu fahren. Da muss dann manchmal das Privatfahrzeug herhalten. Dürfen wir reinkommen?«
Sie nickte. Mir dämmerte, was hier los war. Die Frau wollte wahrscheinlich die Nachbarn beeindrucken. Aber dazu musste auch das richtige Fahrzeug vor der Tür stehen. Und kein BMW-Motorrad, flankiert von einem rostigen, stumpfroten Golf. Der erste Akt des Interviews war für die Frau eine Enttäuschung.
Sie raffte ihre quer gestreifte Strickjacke zusammen, als hätten wir einen Schwall Eiseskälte hereingebracht, und wies in ihr Haus. Sie ließ uns den Vortritt, und wir gingen ganz nach hinten in ein Wohnzimmer. Es hätte eigentlich ein schöner, heller Raum sein können, zumal wie bei Heike Quisselborn ein großes Fenster nebst Terrassenfenster auf eine große Rasenfläche ging, die ebenfalls bis an den Lerbacher Wald heranreichte. Aber die altdeutschen Schrankwände, die einen von drei Seiten umzingelten, machten den Eindruck zunichte.
Jutta bekam den Sessel, von dem aus man nach draußen sehen konnte. Mein Blick fiel auf die Schränke. Auf dunkle, schwungvoll verzierte Türen mit gelblichem Riffelglas, auf Messingschlüssel und auf aufgereihte Bierkrüge. Ich senkte den Blick auf den Wohnzimmertisch, wo Frau Kley-Knöter
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