Bei Landung Liebe
ich leise. Meine Stimme hörte sich fremd an.
„Guten Morgen, Isa“, erwiderte Ryan sanft und lächelte mich an. Er ging zum Kühlschrank, nahm ein Glas Himbeermarmelade heraus und stellte es auf den Frühstückstisch.
„Waren noch Brötchen eingefroren?“, fragte ich ihn nur um irgendwas zu sagen. Um die unangenehme Stille zu füllen.
„Nein, die habe ich eben vorn an der Tankstelle gekauft. Sind noch warm. Komm setz dich.“
Ryan nahm auf einem Stuhl Platz und sah mich erwartungsvoll an. Unsicher rieb ich mir den Arm.
„Ach, ich glaube ich trinke nur eine Tasse Kaffee. Irgendwie ist mir nicht nach Essen zumute.“
„Du musst was essen Isa. Ich werde doch nicht zulassen, dass du noch dünner wirst, als du eh schon bist.“
„Ein paar Kilo weniger würden schon nicht schaden“, erwiderte ich und lächelte matt, als ich mir Kaffee eingoss. Ryan verdrehte die Augen und lachte leise.
„Typisch, warum kenne ich nicht eine Frau, die mit ihrem Gewicht zufrieden ist?“
Ich gab ein undefinierbares Murmeln von mir und nippte an meinem Kaffee. Er verlor kein Wort über unsere Küsse gestern und um ehrlich zu sein, war ich ein bisschen enttäuscht. Also bedeutete es ihm wohl nichts. Vielleicht war das seine Art gewesen, mich zu trösten.
„Was willst du drauf haben?“, fragte Ryan, während er nach einem Brötchen langte und es mit geübten Handgriffen aufschnitt.
„Ich habe echt keinen Appetit, danke.“
Er überging meine Antwort.
„Also ich hätte Himbeermarmelade, Erdbeermarmelade, Aprikosengelee oder eine Nuss-Nugat-Creme im Angebot. Alternativ wäre aber auch noch Käse im Kühlschrank, falls du eine deftigere Variante bevorzugst.“
Ich seufzte. Mir fehlte im Moment die Kraft, mich zu widersetzen und Ryan würde so schnell nicht aufgeben. Man konnte ihm auch keine schlechte Absicht unterstellen und ich wusste nicht, wann mir zuletzt jemand Frühstück gemacht hatte.
„Na gut, aber ich kann das schon selbst“, antwortete ich und versuchte ihm das Brötchen, das er eben aufgeschnitten hatte, aus der Hand zu nehmen. Ryan zog seine Hand schneller zurück, als ich reagieren konnte. Frech grinste er mich an und deutete auf den freien Stuhl ihm gegenüber.
„Setzen!“, sagte er im gespielten Befehlston.
„Okay, okay. Einmal Himbeermarmelade bitte“, gab ich resigniert zurück und nahm Platz.
„Na also, geht doch“, murmelte Ryan und begann mein Brötchen zu schmieren. Verrückter Kerl.
Schweigend saßen wir in der Küche. Lustlos aß ich auf und sah auf die Uhr. Mein Chef oder eine meiner Kolleginnen würden bereits in der Praxis sein. Wenn ich erklärte, was passiert war, bekäme ich sicher frei. Jetzt zu arbeiten war unmöglich. Ich war viel zu durcheinander.
„Ich ruf mal in der Praxis an und sag Bescheid,“ murmelte ich und stand auf, um zu telefonieren. Wie erwartet, hatte mein Chef Verständnis für die Situation und gab mir für den Rest der Woche frei. Ryan saß noch immer am Tisch, als ich wieder in die Küche kam. Er sah mich an und biss von seinem Brötchen ab.
„Möchtest du deinen Bruder besuchen?“
„Ich würde ihn gerne sehen. Einfach um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist.“
„Schau doch, wann ein Zug nach Berlin fährt. Wenn du möchtest, begleite ich dich auch.“
„Das musst du nicht, Ryan. Bestimmt musst du arbeiten.“
„Nein, ich habe heute und morgen frei.“
„Das kann ich unmöglich von dir verlangen.“
„Ich würde Markus auch gerne besuchen. Vielleicht geht es ihm heute schon besser und wir können mit ihm sprechen.“
Das glaubte ich zwar nicht, da ich wusste, dass Patienten nach einer Intubation meist noch eine Weile brauchten, bis die gedehnten Stimmbänder wieder voll funktionsfähig waren. Szenen aus Filmen, in denen den beatmeten Patienten der Plastikschlauch aus dem Mund gezogen wird und die dann sofort sprechen konnten, waren reines Wunschdenken.
„Am besten rufe ich erst im Krankenhaus an.“
„Gute Idee.“
Ich ging wieder ins Wohnzimmer und griff zum Telefon.
Markus’ Therapie schien anzuschlagen. Sein Zustand hatte sich weiter stabilisiert, aber er wurde immer noch beatmet. Ich ließ mir die Adresse geben und die Schwester erklärte mir, wie ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am besten zum Krankenhaus gelangen konnte. Hastig notierte ich alles und bedankte mich bei ihr. Dann rief ich am Bahnhof an und erkundigte mich nach einer Verbindung nach Berlin. Über zweihundert Euro würde eine Hin- und Rückfahrt
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