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Bei null bist du tot

Bei null bist du tot

Titel: Bei null bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johanson
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dass er die Zeichnung sehen konnte. »Aber das Bild ist mir nicht gut gelungen. Eigentlich macht es mir keinen Spaß, leblose Dinge abzubilden. Ich zeichne lieber Menschen.«
    »Warum?«
    Sie zuckte die Achseln. »Weil sie Leben verkörpern. Gesichter verändern sich, sie altern und sehen von Jahr zu Jahr anders aus.«
    Er nickte. »Wie Blumen.«
    Sie lächelte. »Manche Gesichter, die ich gezeichnet habe, hatten keinerlei Ähnlichkeit mit einer Blume. Aber du hast Recht, es ist dasselbe Prinzip. Magst du Blumen?«
    »Ja.« Er schwieg einen Moment. »Ich habe eine neue Pflanze, eine Gardenie. Ich wollte sie im Frühling meiner Mutter schenken, aber jetzt könnte ich ihr auch ein Bild davon schenken, nicht wahr?«
    »Wahrscheinlich würde sie sich mehr über die Blume freuen.«
    »Aber die Blume könnte sterben.« Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. »Ich könnte sterben. Manchmal sterben Dinge.«
    »Du bist noch jung«, sagte Jane sanft. »Normalerweise sterben junge Menschen nicht, Jock.« Aber Mike war gestorben und er war ebenso jung gewesen wie dieser schöne Knabe. Einer spontanen Eingebung folgend, sagte sie: »Ich könnte deine Blume für dich zeichnen, dann könntest du deiner Mutter trotzdem die echte Pflanze schenken.«
    Seine Miene hellte sich wieder auf. »Würdest du das tun? Wann könntest du es machen?«
    Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Jetzt gleich. Ich habe noch etwas Zeit. Es wird nicht lange dauern. Wo ist die Pflanze?«
    »In meinem Garten.« Er trat zur Seite und machte eine einladende Geste in Richtung Stall. »Komm mit, ich zeig sie dir –« Plötzlich verschwand sein Lächeln. »Aber es geht nicht.«
    »Warum nicht.«
    »Ich habe dem Burgherrn versprochen, mich von dir fern zu halten.«
    »Ach, du lieber Himmel.« Sie musste daran denken, wie Bartlett und Trevor sich darüber verständigt hatten, dass dafür gesorgt werden müsse, dass der Junge sie nicht belästigte. Offenbar hatten sie MacDuff darauf angesprochen, obwohl sie ihnen erklärt hatte, es störe sie nicht, wenn der Junge sie ansprach. Jetzt, wo sie ihn kennen gelernt hatte, kam sie sich regelrecht abwehrend vor. »Das ist schon in Ordnung, Jock.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hab’s ihm versprochen.« Er überlegte. »Aber wenn ich vorausgehe und du mir folgst, dann bin ich ja nicht wirklich in deiner Nähe, oder?«
    Sie lächelte. Er mochte vielleicht ein kindliches Gemüt besitzen, aber er war keinesfalls so unterbelichtet, wie Bartlett glaubte. »Also gut, dann achte darauf, dass du dich von mir fern hältst.« Sie ging auf den Stall zu. »Ich gehe einfach hinter dir her.«
     
    »Warum sind die Boxen denn alle leer?«, rief Jane, als sie Jock durch den Stall folgte. »Hat MacDuff denn keine Pferde?«
    Jock schüttelte den Kopf. »Er hat sie verkauft. Er kommt nicht mehr oft hierher.« Inzwischen hatte er die Tür am Ende des Stalls erreicht. »Das ist mein Garten«, sagte er und öffnete die Tür. »Die Pflanzen stehen alle in Töpfen, aber der Burgherr sagt, ich kann sie später draußen in die Erde setzen.«
    Sie folgte ihm hinaus ins Sonnenlicht. Blumen. Der kleine, mit Kopfsteinen gepflasterte Innenhof war so voll gestellt mit Töpfen und Vasen, in denen Blumen aller Arten und Farben blühten, dass man kaum einen Fuß dazwischen setzen konnte. Ein Glasdach machte den kleinen Hof zu einem perfekten Gewächshaus. »Warum nicht jetzt?«
    »Er weiß noch nicht, wo wir wohnen werden. Er sagt, es ist wichtig, Pflanzen zu pflegen.« Er zeigte auf einen Blumentopf. »Das da ist meine Gardenie.«
    »Sie ist wunderschön.«
    Er nickte. »Und sie kann den kalten Winterwind überstehen.«
    »Was für ein Glück.« Sie schlug ihren Zeichenblock auf. »Ist die Gardenie deine Lieblingsblume?«
    »Nein, ich mag sie alle.« Er runzelte die Stirn. »Außer Flieder. Flieder mag ich nicht.«
    »Warum nicht? Flieder hat doch prächtige Blüten, und ich glaube, der gedeiht hier in der Gegend ganz gut.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich mag Flieder nicht.«
    »Ich schon. Wir haben eine Menge Flieder bei uns zu Hause.« Sie begann zu zeichnen. »Die Blüten an deiner Gardenie hängen ein bisschen. Könntest du sie hochbinden, bis ich fertig bin?«
    Er nickte, langte in seine Hosentasche und zog eine lederne Schnur heraus. Einen Augenblick später stand die Gardenie aufrecht in ihrem Topf. »Ist es so recht?«
    Sie nickte abwesend, während ihr Bleistift über das Papier flog. »So ist es besser … Du kannst dich solange auf den

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