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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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dem
Plauderstündchen mit „Madame Dolguet“ hatte ich ihn nicht mitgenommen. Gut, daß
ich mich so entschieden hatte! Sonst hätten die Ganoven mir den auch noch
abgenommen. Jetzt konnte ich ihn gut gebrauchen. Leute mit viel Phantasie sind ja
ganz unterhaltsam; aber man sollte auf der Hut sein.
    Mit dem Revolver in der Hand kehrte
ich also in die Küche zurück. Der hungrige Wolf biß gerade herzhaft in sein
Sandwich. Beim Anblick der Kanone wäre er beinahe an seinem Bissen erstickt.
    „Also... Was ist das denn?“ stotterte
er.
    „Ein Revolver.“
    „Das seh ich, aber... verdammt
nochmal! Was wollen Sie mit dem Ding?“
    „Weiß ich noch nicht. Den ganzen Abend
über hat man mir so ein ,Ding’, wie Sie sagen, unter die Nase gehalten, ohne
daß ich etwas sagen konnte. Jetzt räche ich mich ein wenig.“
    „Unter die Nase?“
    „Ja. Deine Freunde haben mir eine
Waffe unter die Nase gehalten.“
    Verständnislos schüttelte er den Kopf.
    „Kapier ich nicht.“
    „Schade. Sollte ‘n Gag sein. Ist aber anscheinend
nicht besonders gut angekommen.“
    „Ein Gag?“
    „Das Fernsehen hat ‘n Dutzend Gags bei
mir bestellt. Und nun teste ich ihre Wirkung bei meinen nächtlichen
Besuchern... wenn welche kommen.“
    „Ein Gag? Also wirklich!“
    Er schüttelte wieder den Kopf, diesmal
enttäuscht.
    „Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch den
Mund aufmachen werde“, sagte er. „Das Vertrauen, das ich zu Ihnen hatte,
schwindet.“
    „Vertrauen hin oder her, du wirst den
Mund auf jeden Fall aufmachen!“ erwiderte ich. „Du hast eine Rolle bekommen,
und ich werd dir nicht den Spaß daran verderben.“
    „Ach nein? Ist das auch wieder einer
Ihrer Gags?“
    „Das wirst du selbst am besten wissen.
Los, Alter, gehen wir wieder ins Wohnzimmer.“
    Als wir wieder gemütlich saßen, begann
der Junge zu reden, wobei er mit vollen Backen weiterkaute:
    „Hören Sie, M’sieur, an Ihrer Stelle
würde ich das Schießeisen wieder weglegen. Ich hab nämlich nicht die Absicht,
Ihnen etwas zu tun. Aber... na ja, verstehe... Wenn ich mich in Sie
hineinversetze, kann ich’s Ihnen nicht verdenken, daß Sie mißtrauisch sind.
Deshalb will ich Ihnen schnell erzählen, worum’s geht. Wenn ich Mist gebaut
habe, wär das nicht das erste Mal. Also: Ich sitze in der Klemme, M’sieur, und da
hab ich mir gedacht... als ich ‘n paar Zeitungen gelesen habe, zum Beispiel die
hier...“ Er zeigte auf die Dimanche-Gazette neben sich. „Da ist viel von
Ihnen die Rede... Und deswegen bin ich so aufgeregt! Ich hab nämlich gedacht,
daß Sie mir vielleicht aus der Patsche helfen könnten
    „Aus welcher Patsche?“
    „Aus der Klemme, in der ich sitze.“
    „Aus welcher Klemme?“
    „Na ja... äh... Bin erst vor ‘n paar
Tagen aus dem Knast gekommen...“ Mechanisch klopfte er die Brotkrümel von
seiner Hose. „Sie haben’s bestimmt schon an meinem Haarschnitt erkannt. Also,
ich war im Knast. In Lyon. Hatte meine Strafe fast abgesessen. In zwei Monaten
wär ich entlassen worden. Deswegen wollte ich gar nicht ausbrechen. Hab’s aber
trotzdem gemacht... Moment! Gegen meinen Willen, sozusagen! Stellen Sie sich
vor: Ich war mit zwei Leuten aus Paris zusammen, zwei unruhigen Geistern, die
ihren Ausbruch bis ins kleinste vorbereitet hatten. Mir haben sie nicht
vertraut, und deshalb wollten sie mich nicht alleine zurücklassen, damit ich
keinen Alarm schlagen konnte, sobald sie weg waren. Verdammt nochmal, ich wär
nicht abgehauen! So einer bin ich nicht. Im Grunde bin ich ein korrekter
Mensch... Ich hab versucht, den beiden das begreiflich zu machen, aber
genausogut hätte ich in eine Geige pinkeln können. Die zwei kannten mich eben
nicht, genausowenig wie Sie, M’sieur. Kurz und gut, ich mußte mit ihnen
zusammen ausbrechen. Zwei Monate vor der Haftentlassung! Wenn das kein Pech
ist! Also, wir verabschiedeten uns vom Strafvollzug. Die Einzelheiten will ich
Ihnen ersparen. Nur, daß meine ,Komplizen 1 Gangster eines anderen
Kalibers waren als ich. Wissen Sie, ich bin mehr so ein kleiner Ganove. Hier
‘ne Registrierkasse, da ‘ne Tankstelle, mehr nicht. Und außerdem laß ich mich
fast jedesmal erwischen. Na ja, egal... Meine beiden ,Komplizen’ dagegen waren
organisiert und alles, und ihre Freunde haben draußen auf sie gewartet, mit
‘nem fahrbaren Untersatz und Klamotten zum Wechseln. Natürlich wollten sie
nicht in den Anstaltsklamotten flüchten, nicht wahr? Für mich blieb nur der
Mist hier übrig...“
    Angewidert wies er auf

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