Bei Tag und bei Nacht
wie in Gazetten und Gesellschaftsnachrichten.«
Gennie warf den Kopf zurück, und diese Geste hatte so viel von königlichem Unmut an sich, dass Grants Lächeln breiter wurde. »Es scheint so«, meinte sie von oben herab, »dass einige Menschen leben und andere nur darüber lesen.«
»Sie bieten viel Lesestoff, Genevieve.« Grant musste sie einfach reizen, er konnte nicht widerstehen.
Er hakte seine Daumen in die Hosentaschen, und neue Ideen für Veronica schossen ihm durch den Kopf. Es schien unumgänglich zu sein, dass sie zurückkommen würde, um Macintoshs Leben eine Zeit lang durcheinanderzubringen. »Sie sind ein ausgesprochener Liebling der Paparazzi, nicht wahr?«
Gennies Stimme blieb kühl und distanziert, aber mit ihrem Zeichenstift klopfte sie nervös gegen den Fels. »Wahrscheinlich müssen auch die ihren Lebensunterhalt verdienen, wie jeder andere Mensch.«
»Ich entsinne mich an ein Duell, das vor ein paar Jahren Ihretwegen in England stattfand.«
Das vergnügte, fröhliche Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, hatte Grant nicht erwartet. »Wenn Sie das glauben …«
»Zerstören Sie mir nicht meine Illusionen«, meinte Grant sanft. Ihrem Lächeln war schwer zu widerstehen, wenn es echt und so voller selbstkritischem Humor war.
»Wenn Sie den Gerüchten Glauben schenken«, amüsierte sie sich, »warum sollte ich Sie daran hindern?«
»Einige Geschichten sind tatsächlich faszinierend in ihrer Art. Vor dem Grafen gab es noch einen Filmdirektor …«
»Baron!«, warf Gennie ein. »Der Graf, den Sie meinen, war ein Franzose und gehörte zu meinen ersten Mäzenen.«
»Sie scheinen eine ganze Auswahl … Mäzene zu haben.«
Gennies Lächeln zeigte, dass sie sich gut zu amüsieren schien. »Ja. Sind Sie ein Kunstfan, oder lieben Sie nur den Klatsch?«
»Beides«, antwortete Grant leichthin, »aber wenn ich es recht überlege, ist es während der letzten Monate in der Presse stiller um Sie geworden. Sie scheinen Ihren Urlaub sehr ruhig zu verleben. Die letzte Nachricht, an die ich mich erinnere …« Erschrocken hielt Grant inne. Ihm fiel plötzlich ein, was das gewesen war, und er hätte sich die Zunge abbeißen mögen. Der Autounfall … der Tod ihrer Schwester … ein schönes, deutliches Foto von Gennie bei der Beerdigung. Trotz des Schleiers vor ihrem Gesicht waren ihre Verzweiflung, der Schock und Kummer nicht zu übersehen.
Gennie lächelte nicht mehr und sah zu ihm auf.
»Es tut mir leid!«, sagte Grant leise.
Grants Entschuldigung traf Gennie ins Herz. Von den unterschiedlichsten Menschen hatte sie diese Worte vernommen, doch nie mit so einfacher Ehrlichkeit. Und das von einem Fremden, dachte sie und wandte sich der See zu. Trotzdem sollte man es nicht zu hoch bewerten.
»Schon gut.« Der Wind fühlte sich kühl und voller Lebenskraft an. Hier war nicht der rechte Ort, um über das Sterben nachzugrübeln. Wenn sie sich damit befassen wollte, so würde das allein geschehen. Sie atmete tief die würzige Seeluft ein. »Sie verwenden Ihre Mußestunden also dazu, sich über den Klatsch in unserer verdorbenen Welt zu informieren. Für jemanden, der so viel Interesse an seinen Mitmenschen zeigt, haben Sie sich einen merkwürdigen Ort zum Leben ausgesucht.«
»Interesse ist richtig«, stimmte Grant zu und war froh, dass Gennie mehr Beherrschung zeigte, als er angenommen hatte. »Doch das bedeutet nicht, dass ich viele Menschen um mich haben will.«
»Demnach mögen Sie sie nicht.« Als Gennie sich ihm zuwandte, lag das neckende Lächeln wieder um ihren Mund. »Der unverbesserliche Einsiedler also. In ein paar Jahren haben Sie vielleicht Rost angesetzt.«
»Vor dem fünfzigsten Lebensjahr setzt man keinen Rost an«, gab Grant zurück. »Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.«
»Davon weiß ich nichts.« Gennie steckte ihren Bleistift hinters Ohr und neigte den Kopf. »Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie sich um Gesetze kümmern, seien es geschriebene oder ungeschriebene.«
»Es kommt darauf an«, erwiderte er einfach, »ob sie nützlich sind oder nicht.«
»Sagen Sie …« Gennie schaute auf den Skizzenblock, den Grant noch immer in der Hand hielt. »… mögen Sie meine Entwürfe?«
Er lachte kurz auf. »Ich kann mir nicht denken, dass Genevieve Grandeau ungebetene Kritik braucht.«
»Genevieve hat ein gewaltiges Geltungsbedürfnis«, verbesserte sie ihn, »außerdem ist es nicht ungebeten, wenn ich Sie danach frage.«
Grant warf ihr einen langen, direkten Blick zu,
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