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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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zu imponieren. Doch am Ende stand er mit durchnässten Schuhen am Straßenrand und umklammerte verblüfft fünf Dollar, die sie ihm großzügig in die Hand gedrückt hatte, als sie davonbrauste.
    Der Rohentwurf der Bilder war fertig, und Grant fühlte sich wesentlich wohler. Er hatte sich von Gennie gelöst, indem er Veronica wegfahren ließ. Gut gelaunt machte er sich daran, mit Tinte und Pinsel in Grau- und Schwarztönen notwendige Einzelheiten auszufeilen. Bei Macintoshs Wohnung fiel ihm das nicht schwer, denn das war reine Routine. Trotzdem erforderte es Zeit und Konzentration. Die Augen der Leser mussten durch unauffällig betonte Details in wenigen Sekunden der Betrachtung genau das erfassen, was tatsächlich wichtig war. Grants Geduld wurde im Allgemeinen durch diese Kleinarbeit sehr strapaziert, sodass für sein tägliches Leben fast nichts mehr übrig blieb.
    Die Geschichte war halb fertig, und es wurde bereits Abend, als er den Pinsel sinken ließ. Kaffee wäre schön, dachte er, streckte sich und reckte die verkrampften Schultern. Außerdem war er hungrig, denn seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen. Er würde sich ein Brot streichen und an den Strand gehen. Zwei Zeitungen lagen noch unberührt auf der Treppe, und mehrere Fernsehaufzeichnungen wollte er sich eigentlich längst angesehen haben.
    Um mit seinen Geschichten auf dem Laufenden zu bleiben, musste Grant die täglichen Neuigkeiten in der Welt verfolgen. Aber der Spaziergang hatte Vorrang. Er trat an das geöffnete Fenster, die Luft würde ihm guttun.
    Langsam sank die Hand herab, mit der Grant sich seinen Nacken massiert hatte. Mit gerunzelter Stirn beugte er sich vor und sah auf die Klippen. Waren die vorüberkommenden Touristen nicht schon schlimm genug? Doch die ließen sich meist durch ein paar kurze Worte verjagen – aber das hier war zu viel. Sogar vom hohen Turmfenster aus konnte er deutlich das dichte, ebenholzschwarze Haar erkennen …
    Veronica war demnach keineswegs aus seinem Leben verschwunden, sondern trieb weiterhin ihr Unwesen.

3. K APITEL
    Es war wundervoll hier. Ganz gleich, von welcher Stelle aus man sich umsah oder wie das Licht einfiel. Gennie hatte bereits ein halbes Dutzend Skizzen auf ihrem Block, aber um die besondere Schönheit dieses Landstrichs einzufangen war noch viel mehr notwendig. Welch eine Fülle an Farben! Könnte sie das jemals richtig wiedergeben? Auch die Art, wie der Leuchtturm die Küste beherrschte – so solide und unbesiegbar –, war einmalig. Zeit und Salzwasser hatten den Felsblöcken ringsum ihren Stempel aufgedrückt. Aber das war nur der Beweis, wie hoffnunglos der Mensch seinen Kampf gegen die Elemente führte.
    Irgendwann wird die See gewinnen, überlegte Gennie, denn der Mensch ist vergänglich. Trotzdem ergeben beide zusammen einen bestechenden Einklang von Beharrlichkeit und Stärke.
    Sie hatte vollkommen das Gefühl für Zeit verloren, während sie ungestört malte. Das Sonnenlicht musste so lange wie möglich genutzt werden. In New Orleans war eine solche Einsamkeit unvorstellbar. Sogar außerhalb der Stadt wurde sie neugierige Zuschauer nicht los. Gennie war daran gewöhnt, aber wenn sie eine besonders schwierige Arbeit vorhatte, musste sie zu Hause bleiben. Diese einfache Freiheit des Alleinseins in der Natur hatte sie fast vergessen.
    Zufrieden und leicht verträumt skizzierte sie, was sie vor sich sah und was sie empfand.
    »Verdammt, was tun Sie hier schon wieder?«
    Anerkennend musste gesagt werden, dass Gennie weder hochfuhr noch den Zeichenblock fallen ließ. Das fest vertäute Boot sprach dafür, dass Grant irgendwo in der Nähe sein musste. Doch Gennie hatte sich vorgenommen, sich durch ihn in keiner Weise irritieren zu lassen. Sie wollte ja nur malen, weiter nichts. Eigentlich könnte er sich als Fischer auch ein bisschen mehr um seine Arbeit kümmern, fand sie und drehte sich zu Grant um.
    Er ist wütend, stellte sie ruhig fest. Aber anders kannte sie ihn ja kaum. Er passt gut zu Sonne, Wind und See. Ich werde ihn eines Tages so malen. Gennie hielt den Kopf schief und sah Grant prüfend an, wie einen Gegenstand, der ihr Interesse geweckt hatte.
    »Guten Tag!«, grüßte sie in reinstem Südstaatendialekt.
    »Ich fragte Sie, was Sie hier wollen!«
    »Ich mache nur ein paar Skizzen als Vorentwürfe.« Gennie blieb ungerührt auf dem Felsen sitzen und wandte sich wieder der See zu. »Lassen Sie sich durch mich nicht stören.«
    Grant kniff böse die Augen zusammen. Wie

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