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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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bevor er antwortete: »Ihre Arbeit hat mich immer angesprochen, ganz persönlich. Die Publizität, die Sie offensichtlich gratis bekommen, ist absolut unnötig.«
    »Wahrscheinlich ist das ein Kompliment, da Sie es sagen«, überlegte Gennie. »Geben Sie mir für meine Arbeit hier freie Hand? Oder muss ich mir jeden Schritt erkämpfen?«
    Er runzelte wieder die Stirn, und sein Gesicht nahm so rasch den gewohnten, unfreundlichen Ausdruck an, dass Gennie ein Lachen unterdrücken musste. »Warum unbedingt hier?«
    »Ich glaubte schon fast, Sie hätten doch Einfühlungsvermögen«, meinte sie und seufzte. Mit einer Handbewegung deutete sie auf die umliegende Landschaft. »Können Sie das denn nicht sehen? Hier ist Leben und Tod. Ein Kampf, der niemals endet. Das möchte ich auf meine Leinwand bringen, wenigstens einen ganz kleinen Teil davon. Und ich kann es! Ich vermag dem nicht zu widerstehen, auch wenn ich es wollte.«
    »Das Letzte, was mir hier fehlt, ist eine Bande neugieriger Reporter oder ein paar europäische Adlige.«
    Gennie hob gleichzeitig hochmütig und belustigt eine Braue.
    Diese selbstverständliche Arroganz ärgerte Grant, und es reizte ihn maßlos, ihr zu beweisen, dass sie nur eine Frau war.
    »Ich glaube, dass Sie Ihre Lektüre zu ernst nehmen«, erklärte Gennie in dem langsamen, weichen Dialekt, der Grant auf die Nerven ging. »Aber ich würde Ihnen versprechen – wenn Sie es wünschen –, dass ich weder die Presse benachrichtigen werde noch einen meiner zwei Dutzend Liebhaber, die Sie mir offensichtlich zutrauen.«
    »Stimmt das etwa nicht?« Grants mühsam beherrschter Zorn äußerte sich in Sarkasmus. Doch das störte Gennie nicht.
    »Jedenfalls geht es Sie nichts an. Trotzdem«, fuhr sie fort, »könnte ich Ihnen eine angemessene Summe zahlen, da Sie nun einmal der Eigentümer dieses Landstriches sind. Denn ich will hier malen, mit oder ohne Ihre Zustimmung.«
    »Mir scheint, dass Sie in Bezug auf Besitzerrechte sehr geringschätzig denken, Genevieve.«
    »Das gleiche gilt für Sie, was die Rechte der Kunst betrifft.«
    Grant musste lachen. Es war ein angenehmer Laut, männlich und verwirrend. »Nein«, sagte er dann, »tatsächlich habe ich eine sehr hohe Meinung von den Rechten des Künstlers.«
    »Aber nur solange, wie Sie selbst nicht betroffen sind.«
    Er seufzte und schien am Ende seiner Weisheit angelangt zu sein. Ihm war klar, dass Gennie ihm noch eine Menge Ärger machen würde. Aber sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Kunst und den Grenzen der Zensur war zu groß, um ihr den Weg zu versperren. Warum hatte sie sich nicht die Penobscot-Bucht ausgesucht? »Malen Sie«, erwiderte er kurz, »aber bleiben Sie mir vom Leibe.«
    Gennie trat einen Schritt vor und sah hinaus auf die See. »Ich möchte Ihre Klippen haben, Ihr Haus und Ihr Wasser.« Ein sehr weibliches Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie ihn wieder anblickte. »Aber Sie selbst sind vor mir ganz sicher, Grant. Mit Ihnen habe ich keine Pläne.«
    »Sie beunruhigen mich nicht, Genevieve.«
    »Wirklich nicht?« Was soll das? fragte ihr nüchterner Verstand sofort, aber Gennie ignorierte die Warnung geflissentlich. Grant glaubte doch, dass sie eine Art moderne Sirene sei. Warum sollte sie es nicht dabei belassen? Durch den hohen Felsen stand sie über ihm. Er kniff seine Augen zusammen und blinzelte in die Sonne, als er sie anschaute. Gennies Augen strahlten groß und unergründlich. Lachend legte sie ihre Hände auf Grants Schultern. »Ich hätte schwören können, dass ich es tue.«
    Er hätte sie am liebsten von ihrem hohen Standort heruntergezogen und in seine Arme gerissen. Das Verlangen nach ihr kam so plötzlich, dass ein bohrender Schmerz blieb. Sie machte sich über ihn lustig, zum Teufel mit ihr! Und sie würde zu guter Letzt auch noch Siegerin bleiben, wenn er sich nicht vorsah. »Hier zeigt sich wieder Ihr Geltungsbedürfnis«, stellte er fest. »Sie sind nicht mein Typ.«
    Der unerwartete Ärger in ihren Augen machte sie beinahe unwiderstehlich. »Gibt es denn einen bestimmten Typ?«
    »Ich bevorzuge die sanftere Art«, meinte er und wusste gleichzeitig, dass ihre Haut weich genug war, um ihn zum Schmelzen zu bringen, wenn er nachgab und sie berührte. »Und die ruhigere«, log er weiter. »Jemanden, der weniger aggressiv ist.«
    Gennie kämpfte mit sich, um die Beherrschung nicht zu verlieren. Am liebsten hätte sie Grant geohrfeigt. »Sie mögen demnach Frauen, die still in der Ecke sitzen und nicht

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