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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mitdenken.«
    »Sie sollten wenigstens mit Ihren Vorzügen nicht so um sich werfen.« Jetzt verspottete er Gennie rundheraus. »Es fällt mir jedenfalls nicht schwer, Ihnen zu widerstehen.«
    Die Versuchung war wieder da, und diesmal schluckte Gennie den Köder in einem Stück. »Wirklich? Das wollen wir doch einmal sehen.«
    Sie beugte sich herab und küsste Grant, noch ehe sie selbst wusste, was sie tat, oder Zeit hatte, über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Ihre Hände lagen noch auf Grants Schultern, seine steckten tief in den Hosentaschen. Aber die Berührung ihrer Lippen verursachte eine Art Explosion. Heiß und schnell durchfuhr es Grant mit der Wucht einer Rakete, und seine Finger ballten sich zu Fäusten.
    Was um Himmels willen geschah mit ihm? Nur mit äußerster Kraft widerstand er der Versuchung, Gennie an sich zu ziehen. Instinktiv wusste er, dass er diesem Angriff standhalten musste.
    Aber weshalb trat er dann nicht einfach zurück? Er war nicht angekettet. Er befahl es sich. Er versuchte es. Aber hilflos blieb er stehen und fühlte Gennies Mund.
    Vorstellungen und Fantasien rasten durch seinen Kopf, bis er fast darin unterging. Hexe! dachte er, und ihm wurde leicht schwindlig. Er hatte demnach recht gehabt. Würde der Erdboden sich auftun und ihn verschlingen? Die See ihn hinabziehen? Einen Moment lang glaubte er tatsächlich, dass ihn nur ein kleiner Schritt von dem Geheimnisvollen trennte, was Menschen noch immer verborgen geblieben war. Irgendwo, mit einem Rest seines Verstandes, begriff er, dass er für eine kurze Zeit vollkommen hilflos war.
    Gennie ließ ihn los. Grant glaubte, ihre Hände noch immer mit leichtem Zittern auf seinen Schultern zu spüren. Ihre Augen blickten benommen, die Lippen waren leicht geöffnet. Große Verwunderung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Trotz seines eigenen Schocks merkte Grant, dass sie genauso erschrocken und hilflos war wie er.
    »Ich … ich muss gehen.« Sie stammelte und biss sich auf die Lippen, als sie es merkte. Das war ihr während der letzten vierundzwanzig Stunden schon öfter passiert. Sie vergaß ihren Block, kletterte von dem Felsen und wollte überstürzt zu ihrem Wagen fliehen. Doch im nächsten Augenblick fühlte sie sich herumgewirbelt.
    Grants Züge waren angespannt. Sein Atem ging stoßweise. »Ich habe mich geirrt.« Seine Stimme verdrängte ihre klare Überlegung. »Es fällt mir verdammt schwer, Ihnen zu widerstehen.«
    Was habe ich getan? überlegte Gennie krampfhaft, was habe ich uns beiden angetan? Sie bemerkte, dass sie zitterte. Aus Angst? Lieber Himmel, ja! Dunkelheit und Sturm waren gar nichts im Vergleich zu diesem hier. »Ich denke, dass wir besser …«
    »Das fürchte ich auch«, flüsterte er mit rauer Stimme und zog Gennie eng an seine Brust. »Aber dafür ist es zu spät.«
    Hart und ungeduldig drückte Grant die Lippen auf Gennies Mund. Sie bemühte sich, ihm Widerstand zu leisten, und wollte kämpfen, um nicht unterzugehen. Hatte sie sich jemals eingebildet, etwas über Gefühle und Sinneswahrnehmung zu wissen? Mit Farbe Empfindungen auszudrücken war ein schwacher Versuch gegenüber diesem Ansturm von Verlangen.
    Ihre Hand, die Grant wegstoßen sollte, zog ihn noch näher heran, und seine Finger wühlten ungestüm in ihrem Haar. Die Wildheit der Klippen, der See und des Windes zerrte an ihnen und beherrschte sie. Grant bog Gennies Kopf zurück, als wolle er dadurch beweisen, dass er seiner Sinne noch mächtig war. Er öffnete die Lippen, und Gennies Zungenspitze kam ihm bereitwillig entgegen.
    Ist es das, fragte sie sich verwundert, wonach ich mich immer sehnte? Diese herrliche Befreiung, das Brennen und schmerzhafte Begehren?
    Sie hatte vom ersten Augenblick an geahnt, dass eine geheime Kraft in Grant steckte. Jetzt spürte Gennie, wie er sie gefangen nahm und dass sie Stärke und Schwäche nicht mehr zu unterscheiden vermochte.
    Sein raues Kinn rieb an ihrer Haut, als er seinen Mund in eine andere Stellung drehte. Gennie stöhnte leise vor Wonne über diesen kleinen, delikaten Schmerz. Mit der Hand wühlte er noch immer in ihrem langen Haar, während ihre Lippen sich in gegenseitigem Angriff trafen.
    Gib dich auf, lass dich gehen, klang es verlockend aus Gennies tiefstem Inneren, und sie wehrte sich nicht mehr, sondern lag hilflos in Grants Armen. Der Schrei der Möwen war nicht mehr klagend, sondern voller Romantik. Gebieterisch schlugen die Wellen gegen das Land. Gennie spürte die magnetischen Kräfte, während

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