Bei Tag und bei Nacht
ist eine Sache, auch wehtun und beleidigen wäre zu ertragen. Doch damit nicht genug! Seine unverschämte Arroganz war der Gipfel.
Er würde sie nehmen, wenn es ihm passt, hatte Grant gesagt. Als ginge es um eine Tafel Schokolade im Warenhaus. Gennies Augen verengten sich und blitzten blassgrün vor Zorn. Das werden wir sehen! Darüber sprechen wir noch, Grant Campbell.
Sie sprang auf und klopfte sich energisch die Jeans ab. Niemand weist Genevieve Grandeau ohne Weiteres ab, und niemand nimmt sie sich. Wenn ihm nach Spielerei zumute war, dann wollte sie ihm das Spielen schon beibringen.
4. K APITEL
Als Gennie am nächsten Morgen ihre Malutensilien zusammenpackte, war sie grimmig entschlossen, sich nicht wegjagen zu lassen. Und bestimmt nicht von einem ungezogenen, arroganten Idioten. Sie würde sozusagen auf Grant Campbells Türschwelle sitzen, bis sie fertig war und von allein aufstand. Natürlich kam die Arbeit an erster Stelle, überlegte sie beim Ordnen der Pinsel, aber wenn sich die Gelegenheit bot, würde sie diesem schrecklichen Menschen gern eine Lektion erteilen. Das sollte ihm guttun!
Sie warf den Kopf zurück und schloss den Malkasten. In ihrem ganzen bisherigen Leben hatte sie niemanden kennengelernt, der einen kräftigen Rippenstoß mehr verdiente als Grant Campbell. Und genau das zu tun, nahm Gennie sich vor.
Er glaubte also, dass sie herumspielen wollte. Sie ließ den Riegel zuschnappen, dass es in dem leeren Häuschen wie ein Schuss hallte. Warum nicht? Aber nach ihren Regeln!
Gennie hatte sechsundzwanzig Jahre lang bei ihrer Großmutter beobachten können, wie man die männliche Spezies bezauberte und verführte. Was war das für eine erstaunliche Frau! dachte Gennie liebevoll. Mit siebzig noch gut aussehend und voller Temperament, wickelte sie Männer jeden Alters um den kleinen Finger. Nun, schließlich war sie auch eine Grandeau. Unternehmungslustig stützte Gennie ihre Hände in die Hüften. Grant Campbell würde über kurz oder lang von seinem hohen Ross herunterpurzeln.
Nehmen will er mich? Die Erinnerung trieb ihr die Röte ins Gesicht. So eine Frechheit! Er wird noch vor mir auf den Knien liegen.
Über Nacht hatte Gennie sich so sehr in den Ärger hineingesteigert, dass es ihr gelungen war, die eigene Reaktion und die Tatsache, dass Grant leicht sein Ziel hätte erreichen können, zu vergessen. Zornig zu sein war leichter als niedergeschlagen zu sein, und Rache war süß!
Im Spiegel über der alten Kommode prüfte sie kritisch ihr Aussehen. Wie ein Krieger, der sich für die Schlacht vorbereitete, griff sie nach einem Töpfchen mit mattgrünem Lidschatten. Wenn man ungewöhnliche Gesichtszüge hat, überlegte Gennie und trug das Make-up auf, dann sollte man sie betonen. Das Ergebnis gefiel ihr. Ein wenig exotisch, aber nicht aufdringlich. Auch die Lippen erhielten etwas Farbe, das wirkte verführerisch. Hintergründig lächelnd, tupfte sie noch Parfum an die Ohrläppchen. Selbstverständlich würde sie es darauf anlegen, Grant zu reizen und herauszufordern. Wenn er dann auf den Knien lag und bettelte, würde sie spöttisch davonspazieren.
Schade, dass ein Malkittel überhaupt nicht sexy war. Gennie schürzte die Lippen und drehte sich hin und her. Aber die Arbeit ging vor. Wenn sie auf einem Felsen sitzen musste, konnte sie wirklich nichts Hautenges tragen. Die Jeans und das T-Shirt mussten bleiben.
Erwartungsvoll und zufrieden mit ihrem Äußeren ergriff Gennie ihren Malkasten. In diesem Augenblick hörte sie, wie ein Auto näher kam.
Grant? Sofort klopfte ihr Herz, und jeder Nerv flatterte. Ärgerlich mit sich selbst schaute sie aus dem Fenster. Es war nicht Grants Lieferwagen, sondern ein kleiner, alter Kombi. Die Witwe Lawrence stieg aus, sauber und ordentlich wie immer. In der Hand hielt sie eine zugedeckte Schüssel. Erstaunt öffnete Gennie ihrer Vermieterin die Tür.
»Guten Morgen!« Gennie lächelte. Sie ignorierte das peinliche Gefühl, jemanden hereinzubitten, der jahrelang im gleichen Haus gewohnt, geschlafen und gearbeitet hatte.
»Sie sind ja schon früh auf den Beinen.« Die Witwe zögerte an der Schwelle und sah Gennie prüfend mit ihren kleinen dunklen Augen an.
»Ja. Treten Sie ein, Mrs. Lawrence.«
»Ich will Sie nicht stören. Aber vielleicht mögen Sie einen frischen Kuchen.«
»Sehr gern!« Gennie vergaß alle Pläne, öffnete die Tür weit und machte Platz. »Vor allem, wenn Sie mit mir einen Kaffee trinken.«
»Das tue ich gern.« Die Witwe betrat
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