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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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meinen Geschmack ein wenig … zu rau ist.«
    Grants Atem ging schnell und stoßweise. Er sprach nicht, denn er wusste, dass er nur Unfreundlichkeiten herausbringen würde. Zum zweiten Mal hatte sie es fertiggebracht, dass er alle Beherrschung verlor und nur noch Begehren in sich verspürte. Sein ganzer Körper war vollkommen von heißem Drängen erfüllt. Er starrte Gennie an und hoffte, dass dieses Gefühl abklingen möge. Aber sosehr er es sich auch wünschte, das tat es nicht.
    Du bist stärker als sie! sagte er sich, als er sie beim T-Shirt packte. Er spürte Gennies Herzschlag an seinen Fingern. Nichts konnte ihn daran hindern … Als ob er sich verbrüht hätte, zuckte seine Hand zurück. Niemand sollte ihn so weit bringen, dachte er zornbebend, während sie zurückstarrte. Niemand!
    »Sie spazieren auf dünnem Eis, Genevieve«, sagte er leise.
    Sie warf den Kopf zurück: »Ich passe schon auf.«
    Lächelnd wandte sie sich ab und ging zu ihrer Staffelei. Dabei zählte sie jeden Schritt. Vielleicht zitterten ihre Hände, mit denen sie das Malgerät einpackte, vielleicht würde das Blut in ihren Ohren noch lange dröhnen. Aber diese Runde hatte sie gewonnen. Die Tür zum Leuchtturm schlug zu … Dem Himmel sei Dank.
    Die erste Runde, wiederholte sie. Warum nur fieberte sie schon der nächsten Runde entgegen?

5. K APITEL
    Grant brachte das Kunststück fertig, Gennie drei Tage lang aus dem Weg zu gehen. Sie kam jeden Morgen und malte. Doch obgleich sie stundenlang vor ihrer Staffelei saß, war von Grant nichts zu sehen. Der Leuchtturm schien wie ausgestorben, nur die Fenster blitzten im Sonnenlicht.
    Einmal lag das Boot nicht am Steg, als sie schon sehr früh eintraf. Mittags war es immer noch nicht zurück. Die Versuchung war groß, Grant an dem einsamen Küstenstreifen zu suchen. Doch Gennie wäre eher uneingeladen in sein Haus geschlendert, als ohne seine Zustimmung an den Geheimplatz zu gehen. Der Gedanke, dort einzudringen, war so abwegig, dass sie sogar den Wunsch unterdrückte, die reizvolle Landschaft zu malen.
    Sie arbeitete in Ruhe und Frieden und redete sich ein, dass sie alle Gedanken an Grant verbannen konnte. Schließlich wusste er jetzt, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Doch je weiter das Bild fortschritt, um so deutlicher wurde die Erinnerung an ihn. Sie würde diesen Platz niemals betrachten können, weder in Wirklichkeit noch auf der Leinwand, ohne Grant dabei zu sehen. Er gehörte hierher, als wäre er aus den Felsen gesprungen oder dem Meer entstiegen. Gennie spürte die Kraft seiner Persönlichkeit, als ihr Pinsel sich hin und her bewegte. Es drückte sich in ihrer Malerei aus, die eigentlich nur ein Spiegelbild der urwüchsigen Natur ringsum sein sollte.
    Jedem ihrer Bilder hatte Gennie ein Stückchen Seele gegeben. Bei diesem würde sie auch ein wenig von Grants Seele einfangen, ob er wollte oder nicht.
    Die fortschreitende Arbeit erregte sie. Sie wusste, was hier entstand, war etwas Besonderes. Niemals durfte es einem anderen gehören. Darum wollte sie es ihm schenken.
    Natürlich wäre es nicht als Geschenk der Liebe anzusehen, beruhigte sie die warnende Stimme in ihrem Herzen. Es war eine Geste der Freundschaft, nichts weiter. Und mit reinem Gewissen hätte sie es ohnehin nicht verkaufen können. Andererseits würde es nicht ratsam sein, das Bild zu behalten, denn dann käme sie nie zur Ruhe.
    Kurz vor ihrer Abreise von Windy Point sollte Grant das Bild bekommen. Vielleicht würde ihn dann die Erinnerung quälen?
    Gennies Tage waren angefüllt mit dem Drang, das Bild zu vollenden. Immer wieder musste sie sich zu Ruhe und Geduld zwingen, um nichts von Wichtigkeit zu übersehen. Sie war sich klar darüber, wie wesentlich es war, langsam zu arbeiten, jede Kleinigkeit aufzunehmen und in das Bild einzubringen. Nur widerwillig trennte sie sich nachmittags von dem Platz an Grants Leuchtturm, aber der unterschiedliche Lichteinfall durfte nicht ignoriert werden, so gern sie länger dort gesessen hätte.
    Die Ruhelosigkeit trieb sie nach Windy Point. Sie machte allerhand Skizzen. Später konnte sie dann entscheiden, was sie malen würde. Gennie machte sich vor, dass ihr nach menschlicher Gesellschaft zumute wäre und dass sie dabei nicht auf Grant zurückgreifen wollte. Vergessen konnte sie ihn ohnehin nicht.
    Um die Mittagszeit wirkte Windy Point schläfrig und ruhig. Die Boote waren auf See, und die Sommerhitze brachte die Luft zum Flimmern. Eine Frau saß auf der Bank vor ihrem Haus und pulte

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