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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Durcheinander konnte ich fliehen. Ich wanderte durch die Welt, bis mich ein alter Einsiedler aufnahm, den ich vor einem Grizzlybären gerettet hatte.«
    »Nur durch die Kraft Ihrer bloßen Hände.«
    »Ich erzähle die Geschichte!«, erinnerte Grant. »Er hat mich das Lesen und Schreiben gelehrt. Auf dem Totenbett vertraute er mir an, wo sein Schatz verborgen war: eine Viertelmillion in Golddukaten. Nachdem ich seinem Wunsch nach einer Wikingerbestattung entsprochen hatte, musste ich mich entscheiden, ob ich Börsenmakler werden oder in die Wildnis zurückgehen wollte.«
    »Demnach entschieden Sie sich gegen die Wall Street, kamen hierher und begannen mit Briefmarkensammeln.«
    »So ungefähr.«
    »Na ja«, meinte Gennie nachdenklich, »es leuchtet mir ein, dass Sie eine derart langweilige Geschichte nicht jedem erzählen mögen.«
    »Sie haben mich danach gefragt.«
    »Sie hätten sich etwas ausdenken können.«
    »Keine Fantasie.«
    Gennie vermochte nicht länger ernst zu bleiben. Lachend lehnte sie ihren Kopf an Grants Schulter. »Nun weiß ich, dass Sie ein wahrheitsliebender Mensch sind.«
    Ihr Lachen beschleunigte seinen Herzschlag, und die zufällige Berührung ihres Kopfes an seiner Schulter schoss ihm bis hinab in die Fußsohlen. Ich sollte sie abschütteln, ermahnte er sich. Warum dulde ich ihre Begleitung? Es gefällt mir sogar. »Ich habe zu tun«, verkündete er plötzlich. »Wir können den Weg hier hinaufsteigen.«
    Der Wechsel seines Tonfalls erinnerte Gennie an ihr ursprüngliches Vorhaben. Danach sollte es nicht damit enden, ihn nett zu finden.
    Der Rückweg war keine so halsbrecherische Kletterei. Trotzdem streckte Gennie ihre Hand nach Grant aus und blickte erwartungsvoll zu ihm auf. Grant murmelte eine Verwünschung, dann zog er sie das letzte Stück über den Rand der Steilküste.
    Oben angekommen, berührten sich ihre Körper wieder, und keiner ließ den anderen los. Grants Atem hatte sich während des Aufstiegs nicht beschleunigt, aber jetzt wurde er unregelmäßig. Zufrieden mit ihrem Erfolg sah Gennie ihm tief in die Augen.
    »Zurück zu den Briefmarken?«, fragte sie leise. Absichtlich streifte sie mit den Lippen sein Kinn. »Viel Vergnügen!« Dann löste sie sich aus Grants Griff und wandte sich ab. Keine drei Schritte weit war sie gekommen, als er sie am Arm packte. »Ist etwas?«, erkundigte sie sich mit tiefer, freundlicher Stimme.
    An seinem Gesicht konnte sie erkennen, wie er um Fassung rang. Ihr Herz begann zu klopfen, als sie Begehren in Grants Augen aufleuchten sah. Ihre Kehle wurde trocken.
    Ich habe beinahe gewonnen, redete sie sich ein, nur jetzt nicht zurückweichen. Es ist ja nicht Angst oder gar Leidenschaft, was ich fühle. Es ist reine Genugtuung.
    »Scheinbar wollen Sie doch etwas«, sagte sie und bemühte sich um einen leichten Umgangston, doch ihre Arme glitten wie von selbst um Grants Hals.
    Als sein Mund sich hart auf ihre Lippen presste, waren plötzlich alle Vorsätze vergessen. Von dem Zweck, den sie verfolgt hatte – ihrer Kriegslist und dem Wunsch nach Rache –, blieb nichts mehr übrig. Es war genau wie beim ersten Mal: Sie spürte Leidenschaft, eine verwirrende Sehnsucht und wildes Verlangen.
    Es schien das Natürlichste von der Welt zu sein, sich Grant anzuvertrauen. Gennie tat es mit solcher Offenheit, dass Grant sie aufstöhnend noch enger an sich zog.
    Seine Zunge bewegte sich vorfühlend über ihre Lippen, seine Hände lagen fest auf ihren Hüften. Es waren starke Hände, die in Gennie die Sehnsucht entfachten, dass sie ihre prickelnde Haut überall berührten. Gennie drängte sich an Grant, gab sich ihm, forderte aber gleichzeitig alles von ihm, was er im Kuss ausdrücken konnte. Ihre ganze Leidenschaft konzentrierte sich auf diesen Kuss, was sie beide sehr erregte.
    Erst das Gefühl grenzenloser Schwäche, welches Gennie zu fürchten gelernt hatte, ließ sie zu sich kommen. Das hatte sie nicht beabsichtigt. Oder hatte sie das …? Nein, sie war nicht hierhergekommen, um diese erschreckenden Empfindungen von Lust zu erleben, dieses schmerzende, quälende Verlangen, sich hinzugeben, wie sie es noch nie vorher gespürt hatte.
    Panik kam in ihr auf. Sie sammelte alle Energie, die ihr geblieben war, und zog sich zurück, fest entschlossen, sich weder die Leidenschaft noch die Angst, die sie empfand, anmerken zu lassen. »Sehr hübsch«, flüsterte sie und hoffte inbrünstig, Grant möge nicht merken, wie atemlos ihre Stimme klang. »Obwohl Ihre Technik für

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