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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wieder hatte er sie in seine Arme genommen, geküsst und gestreichelt, als wollte er die Erinnerung auf eine lange Reise mitnehmen.
    Er hatte nicht schlafen können, und um sie nicht zu stören, war er aufgestanden. Hätte er sie doch geweckt!
    Er ist sicher in der Küche, sitzt am Tisch, trinkt Kaffee und wartet auf mich.
    Als sie das Treppenhaus betrat, hörte sie leise und undeutlich Radiomusik. Aber die kam nicht von unten. Verblüfft sah Gennie auf – die Musik kam von oben. Seltsam, Grant hat nie erwähnt, dass er das dritte Geschoss benutzte.
    Getrieben von ihrer Neugier, begann Gennie, die Wendeltreppe aufwärts zu klettern. Ein Sprecher verlas Nachrichten, das hörte sich gespenstisch und unpassend in dem stillen Leuchtturm an. Erst in diesem Moment wurde es Gennie klar, wie vollkommen sie die Außenwelt vergessen hatte. Abgesehen vom Wochenende bei den MacGregors war ihr Sommer eine isolierte, sich nur um Grant drehende Zeit gewesen.
    Im Türrahmen eines sonnenüberfluteten Raumes blieb sie stehen. Es war ein Studio, großzügig angelegt und auf den nördlichen Lichteinfall hin ausgerichtet. Gennies Blick streifte die Regale, vollgestopft mit Zeitschriften und Magazinen. In der Ecke stand ein Fernseher und an der gegenüberliegenden Wand eine alte, durchgesessene Couch. Sie sah weder Staffelei noch Leinwand, doch zweifellos war das hier das Atelier eines Künstlers.
    Grant saß, den Rücken zu ihr gewandt, vor einem Zeichentisch. Es roch nach Tinte und Leim. Die Glasvitrine neben Grant enthielt eine Vielzahl wohlgeordneter Geräte und Hilfsmittel.
    Ein Architekt? überlegte Gennie verwirrt. Doch diese Idee verwarf sie schnell wieder. Kein Architekt hätte der Versuchung widerstehen können, das alte Bauernhaus zu restaurieren, welches direkt neben dem Turm stand. Grant beugte sich über seine Arbeit und sprach leise mit sich selbst. Das hätte Gennie amüsiert, wäre sie nicht so verblüfft gewesen. Als er sich bewegte, erkannte sie einen Malpinsel in seiner Hand. Nerzhaar und sehr teuer. Er hielt ihn ganz selbstverständlich, wie nach langjähriger Praxis.
    Hatte er nicht abgestritten, dass er malte? Und wozu brauchte ein Maler den Zirkel und verschiedene Winkel?
    Grant hob den Kopf, und ihre Augen trafen sich im Spiegel, der an der Wand gegenüber seinem Arbeitsplatz hing.
    Er hatte tatsächlich nicht schlafen können. Irgendwann mitten in der Nacht war in ihm der Entschluss gereift, dass ihre Wege sich trennen müssten. Mehr noch: dass er diese Trennung auch würde verkraften können. Gennie lebte weit weg von Windy Point. Glanz und Ruhm waren Teil ihres Lebens, so wie Öffentlichkeit und Bestätigung. Er dagegen brauchte die Einsamkeit, schlichte Natürlichkeit und Anonymität. Das ließ sich nicht miteinander vereinbaren.
    Noch im Dunkeln war er aufgestanden und hatte sich eingebildet, er würde arbeiten können. Nach fast zwei Stunden vergeblichen Bemühens ließen sich endlich ein paar Fortschritte erkennen. Und nun stand Gennie hinter ihm, hier in seinem Heiligtum, was er als Einziges für sich allein hatte behalten wollen.
    Viel zu aufgeregt, um Grants Verstimmung zu bemerken, kam sie näher. »Was machst du hier?« Er schwieg, und Gennie stellte sich neben ihn und betrachtete stirnrunzelnd den großen Bogen Zeichenpapier auf seinem Brett. Er war kreuzweise schraffiert und durch hellblaue Linien in verschiedene Abschnitte eingeteilt. Gennie sah, wo Grant mit Stift und Tinte die Zeichnung angefangen hatte, aber sie erkannte noch immer nicht, was es darstellte.
    Keine Blaupause, überlegte sie, etwas Mechanisches – vielleicht als kommerzielle Kunst? Fasziniert beugte sie sich tiefer, sah die Figuren – und wusste plötzlich Bescheid.
    »Oh! Cartoons.« Erfreut über ihre Entdeckung schob sie Grant ein wenig beiseite. »Hundertmal habe ich den Strip schon gesehen. Ich finde ihn wunderbar!« Sie lachte und schob das Haar zurück auf die Schulter. »Du bist Cartoonist, Grant!«
    »Das stimmt.« Ihre Begeisterung gefiel ihm nicht. Das war nun einmal sein Beruf, nichts weiter. Gleichzeitig war ihm klar, dass jetzt und hier die letzte Möglichkeit wäre, sich von Gennie zu lösen. Mit Bedacht legte er seinen Pinsel beiseite.
    »So entwirfst du also eine Bildergeschichte.« Gennie war viel zu interessiert an Grants Arbeit, um sein merkwürdiges Benehmen zu beachten. »Sind die blauen Striche perspektivisch? Wie ist es dir nur möglich, an sieben Wochentagen immer etwas Neues zu bringen?«
    Grant wollte

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