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Beichte eines Verfuehrers

Beichte eines Verfuehrers

Titel: Beichte eines Verfuehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hart Megan
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wirst, wenn dich ein wildfremder Typ anspricht?“
    „Nein! Ich denke einfach, so was wird mir nicht noch mal passieren“, erwiderte ich seufzend. „Komm schon. Es war nur ein Zufall.“
    Adam grummelte, immer noch bemüht, seinen Rollstuhl in die richtige Richtung zu bewegen. Dann blickte er zu mir auf. „Hast du dieses Outfit getragen?“
    Ich schaute an mir herunter. „Ja, wieso?“
    Adam war immer ein Meister darin gewesen, sich auch ohne Worte auszudrücken. Sein Schnauben machte sehr deutlich, was er dachte. „Na ja, kein Wunder, dass er dich angesprochen hat.“
    Ich musste unwillkürlich lachen. „Ach wirklich? Findest du ernsthaft, dass dieses Outfit sexy ist?“
    Wenn ich zur Arbeit ging, trug ich meistens Businesskostüme, und die waren in meinen Augen alles andere als sexy. Aber nun, so war ich eben. Die Beatles hatten zwar über „Sexy Sadie“ gesungen, aber mich hatten sie dabei bestimmt nicht im Sinn gehabt.
    „Ich will nicht, dass fremde Männer dich ansprechen, das ist alles.“ Adam klang jetzt nicht mehr so grimmig, sondern eher resigniert.
    Ich trat zu ihm und küsste ihn sanft auf die Wange. „Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.“
    Aber so leicht war Adam nicht zu beruhigen. „Du hast doch deinen Ehering getragen, oder?“
    Das war’s. Ich kreuzte die Arme vor der Brust und fauchte: „Ja, ich habe meinen Ehering getragen. Du verhältst dich ja gerade so, als würde ich es drauf anlegen, dass fremde Männer mich ansprechen. Hör auf damit!“
    Vielleicht hätte ich ihm die Geschichte nicht erzählen sollen, die mich nach dem ersten Schreck nur amüsierte und mir auch ein wenig schmeichelte. Sogar an seinen besten Tagen war Adam launisch. Es war nicht schwer zu erraten, warum er so war. Aber früher hatte er einen feineren Sinn für Humor gehabt. Es war hart gewesen zu erkennen, dass Adam nicht länger der Mann war, den ich einst mit einem schlichten Samtband verführt hatte, das in einem Büchlein mit Gedichten lag.
    Er beendete unsere Unterhaltung und wandte sich wortlos dem Computer zu. Ich nahm meine Einkaufstüte mit dem Kaffeebecher und verließ den Raum.
    Wenn dieser Mann im Einkaufszentrum nett ausgesehen hätte … Hätte ich mich dann auf ein Date eingelassen? Wäre ich mit einem Fremden ausgegangen, den ich in der Haushaltswarenabteilung kennengelernt hatte? Wäre ich vielleicht sogar mit ihm nach Hause gegangen, in sein Bett? Oder hätten wir uns ein Hotelzimmer genommen oder es sogar gleich im Auto getrieben? Hätte er mich in einen Hinterhof gezogen, wo er mich an eine Wand drücken würde und sich unsere Körper in anonymer Leidenschaft vereinigen konnten?
    Wenn ich Joe Glauben schenken durfte, passierten ihm solche Dinge ständig. Aber mir machte Joe nie ein solches Angebot. Ich hörte ihm nur zu, wenn er seine Geschichten Monat für Monat erzählte und fragte mich dabei im Stillen, wie es wohl sein würde, wenn er mich fragte … und wenn ich ihm mit „ja“ antworten würde.

4. KAPITEL
    „Der Valentinstag ist doch wirklich der schlimmste Tag im Jahr – wie ein Pickel am Hintern.“
    Diese unverblümte Äußerung meiner Patientin brachte mich zum Lachen. Ich kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Humor ihre Art war, Unsicherheit zu verbergen. Aber das war egal. Es war lustig, was sie sagte.
    „Warum sagen Sie das, Elle?“, fragte ich und goss uns beiden eine weitere Tasse Tee ein.
    „Es ist der Feiertag eines Märtyrers.“ Sie fügte Sahne und Zucker hinzu und rührte ihren Tee um.
    Manchmal schämen sich meine Patienten, dass sie zu mir kommen oder, um genau zu sein, dass sie mich brauchen. Manchmal schaffen sie es, mich so weit mit einzubeziehen, dass es unsere Zusammenarbeit gefährdet.
    Elle, die ich als lustig, offen und mitfühlend kennengelernt hatte, hat den idealen Mittelweg gefunden. Wir waren nett zueinander, aber wir waren keine Freundinnen geworden. Freunde teilen all ihre Probleme – aber hier war es nur einseitig, es ging stets um Elles Probleme. Trotzdem hatten unsere Sitzungen im Laufe der Zeit mehr und mehr die Form eines Gesprächs unter Freunden angenommen und es war längst mehr als das Therapiegespräch zwischen einer Psychologin und ihrer Patientin. Das zeigte mir, dass Elle sich bei mir wohlfühlte, und darüber war ich froh, denn es hatte lange gedauert, bis sie sich mir öffnen konnte.
    Ich gab etwas Zitronensaft in meine Teetasse. „Ach ja, der arme St. Valentin. Aber heute ist das wohl nicht mehr

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