Beichte eines Verfuehrers
Joe und ich uns nie berührten, hieß das nicht, dass wir keine Affäre hatten.
Das alles wusste ich. Trotzdem wollte ich es nicht beenden. Um ehrlich zu sein, konnte ich es nicht beenden. Jeden ersten Freitag im Monat teilten wir das Mittagessen, seine Geschichten und die Abwechslung, die sie für mich bedeuteten, weil sie ein hell schimmerndes Kleinod waren im ansonsten grauen Alltagstrott.
Es war falsch, was ich tat. Aber ich wollte nicht damit aufhören.
Das Klingeln meines Handys holte mich von meiner Nabelschau zurück in die Realität. Ich nahm den Anruf entgegen, und wie immer hatte ich Angst, dass es einer von Adams Pflegern war, weil es daheim Probleme gab.
„Hallo Sadie, ich bin’s.“
Es war meine Schwester Katie. Sie klang müde, aber in letzter Zeit hatte sie immer müde geklungen.
„Hey, wie geht es dir?“, fragte ich betont munter.
„Ganz gut. Hast du meine Nachrichten bekommen?“
Einen winzigen Moment erwog ich, Mrs. Lapp die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil ich bisher nicht zurückgerufen hatte. Doch dann schämte ich mich für diese dumme Idee, nur um mich selbst zu schützen.
„Doch, ich hab deine Nachrichten bekommen. Sorry, aber ich hatte viel zu tun.“
„Erzähl mir davon.“
Ich konnte es nicht, und sie erwartete es auch nicht ernsthaft. Es war nur eine Floskel. Ich ging nicht darauf ein.
„Was gibt’s, Katie?“
„Ach, das Übliche. Ich habe schon länger nichts mehr von dir gehört und ich dachte mir, ich rufe mal an und höre, ob alles in Ordnung ist bei euch.“
Das hieß im Klartext, dass sie jemanden zum Reden brauchte. „Was ist los?“
Ihr leises Seufzen machte mich stutzig. Ich runzelte die Stirn.
„Ach, Lily macht mich verrückt mit ihren Anwandlungen und Evan ist nicht viel besser. Er ist momentan auf Geschäftsreise und sieht einfach nicht ein, wie schwer es für mich ist, mit einem launischen Kleinkind allein zu Hause zu bleiben. Und mir ist immer noch jeden Morgen schlecht. Die ersten drei Monate sind die schlimmsten.“
Ich ließ meine Stimme so beruhigend werden wie möglich. „Das kann ich mir vorstellen.“
„Ich brauche wirklich mal Abstand.“ Katie klang, als würde sie in Tränen ausbrechen. „Kannst du nicht einen Abend mit mir ins Kino gehen?“
„Ich wünschte, dass ich das könnte, aber …“
Ins Kino gehen bedeutete für mich, dass ich den Arbeitsplan von Adams Betreuern umstellen musste. Es bedeutete, dass ich erst spät heimkam, obwohl ich am nächsten Morgen um vier aufstehen musste, um Adam fertig zu machen, bevor ich zur Arbeit fuhr. Es hieß für mich außerdem, dass ich einen kompletten Abend die fröhliche, große Schwester für Katie mimen musste, ohne von meinen eigenen Problemen erzählen zu können.
„Ach, komm schon, Sadie.“
„Katie, es tut mir leid, ja? Ich kann einfach nicht.“
Sie seufzte laut. „Und, wie geht es Adam?“
„Oh, ihm geht es gut.“
„Habt ihr Pläne für den Valentinstag?“
Ich räusperte mich. „Ach, nichts Besonderes.“
„Kommt ihr beide zu Dads Geburtstagsfeier?“
„Ja, ich werde kommen.“ Ich hatte bereits mit Dennis gesprochen. Er würde ausnahmsweise am Samstag für ein paar Stunden arbeiten.
„Kommst du allein? Ohne Adam?“
Das Schlimme an Schwestern ist, dass sie immer genau wissen, womit sie dir wehtun können. „Wenn er Lust hat, kommt er mit. Aber Katie, ich kann jetzt noch nicht absehen, wie es ihm an dem Tag geht.“
Sie rügte mich nicht für diese Lüge. Ich wusste schon jetzt, dass Adam nicht zum Geburtstag meines Vaters mitkommen wollte. Er wollte nirgends hingehen, obwohl er es konnte. Lieber blieb er den ganzen Tag zu Hause.
„Ich könnte zu euch kommen und wir schauen uns einen Film an, wenn du nicht mit mir ausgehen kannst. Ich brauche einfach Abwechslung, Sadie, ich muss aus diesem Haus hier raus, du kannst es dir nicht vorstellen, wie schlimm es im Moment ist.“
Als ich nicht antwortete, hielt sie betreten inne. „Aber wenn du keine Zeit hast, ist das wirklich okay.“
Wenn ich für Katie eine gute Schwester gewesen wäre, dann wäre ich auch jetzt für sie da. Ich hatte es immer versucht, aber letzten Endes war der Gedanke daran für mich immer allzu abschreckend gewesen.
„Vielleicht nächste Woche“, sagte ich lahm.
„Klar, kein Problem. Wenn es dir am besten passt. Ich ruf wieder an, okay?“
Ich wollte für Katie da sein, so wie ich es immer getan hatte. Ich wollte mir ihre Probleme anhören und ihr gute Ratschläge
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