Beichte eines Verfuehrers
erteilen. Ich wollte alles richtig machen, ich wollte, dass es für sie anders war. Ich wollte ihr so helfen, wie ich meinen Patienten half, aber wenn sich die Gelegenheit dazu ergab, wenn Katie mich sogar anrief … dann konnte ich es plötzlich nicht mehr. Ich hatte Angst.
Es war nicht die Angst, dass ich ihr nicht helfen konnte. Ich war mir sicher, dass sie nur jemanden brauchte, der ihr mitfühlend zuhörte. Ich fürchtete, dass ich meine eigenen Probleme vor ihr offenbaren würde, wenn wir beisammensaßen und sie begann, von ihren Sorgen zu erzählen. Und das wollte ich nicht riskieren. Wenn ich meinen Gefühlen, Ängsten und Sorgen eine Stimme gab, wären sie greifbar und so real, dass ich mich davor nicht länger verstecken konnte. Ich fürchtete, dass meine eigenen Sorgen mich dann überwältigten.
Die letzten vier Jahre hatte ich damit zugebracht, nach außen tapfer zu wirken. Indem ich mich selbst überzeugte, dass alles in Ordnung sei, hatte ich auch alle anderen davon überzeugt. Es ging Adam und mir gut – so gut es uns eben gehen konnte. Wenn ich diese Fassade nicht aufrechterhielt, wusste ich nicht, was geschehen würde.
Joe hatte recht. Es war einfacher, weiterhin so zu sein, wie es von dir erwartet wurde. Selbst wenn die einzige Person, die dies von dir erwartet, du selbst bist.
Für Adam und mich gab es keinen herzförmigen Hackbraten. Mrs. Lapp hatte einen Schmorbraten mit Kartoffeln in Butter und Petersilie gekocht. Ich aß zusammen mit Adam in seinem Schlafzimmer. Auf dem Tisch brannten Kerzen. Ich schnitt das Essen für ihn in kleine Häppchen und fütterte ihn, Bissen für Bissen.
„Fröhlichen Valentinstag.“ Er lächelte mich so strahlend und liebevoll an, wie ich es lange nicht mehr gesehen hatte. Es war das Lächeln, in das ich mich einst verliebt hatte.
Ich prostete ihm mit einem Champagnerglas zu, das wir zu unserer Hochzeit geschenkt bekommen hatten. Dann redeten wir über unseren Tag. Adam erzählte mir von Dennis, der heute schon früher aufgebrochen war, weil in einer Bar in der Stadt eine große Valentinsparty stattfand.
„Ich hab ihm gesagt, dass er bloß nicht zu früh nach Hause kommen soll.“ Adam hob die Augenbrauen. „Ich habe große Pläne, hab ich ihm erzählt.“
„Ach, wirklich? Was hast du geplant?“ Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Vom Champagner fühlte ich mich leichter.
„Ich habe nicht nur geplant.“ Er blickte zum Kleiderschrank in der Ecke.
Den Kleiderschrank hatte ich einst auf einem Flohmarkt gefunden. Er war völlig verdreckt gewesen, die Griffe waren abgebrochen und die Tür hing schief in der Angel. Ich hatte die Tür wieder richten lassen, das Holz poliert und ähnliche Handgriffe in einem Online-Auktionshaus bestellt. Der Schrank war mein ganzer Stolz, und früher hatte ich darin verführerische Unterwäsche und meine Pyjamas aufbewahrt. Heute waren die Fächer mit medizinischen Gerätschaften vollgeräumt.
„Schau mal in den Schrank.“ Er wies mit dem Kinn in die Ecke – die äußerste Möglichkeit für ihn, etwas mit Gesten auszudrücken.
Ich stand auf und ging hinüber zum Schrank. Über die Schulter blickte ich ihn an. „Adam, was hast du gemacht?“
„Mach einfach den Schrank auf.“
Ich öffnete den Schrank. Auf dem obersten Bord stand ein Geschenk, das jemand in rote Folie verpackt hatte. Ich nahm die Box. Mein Herz raste genauso wie damals, als er mir das erste Mal ein solches Geschenk gemacht hatte. Es war groß, aber sehr leicht. Ich musste unwillkürlich kichern.
„Was ist da drin?“
„Mach es doch einfach auf.“
Ich zögerte und blickte ihn an. Er erwiderte meinen Blick und lächelte spitzbübisch und voller Hoffnung. Ich kannte diesen Blick. Als er mich das letzte Mal so anschaute, hatte er vor mir gekniet und eine viel kleinere Schachtel in der Hand gehalten.
Plötzlich hatte ich Angst, die Schachtel zu öffnen und zu sehen, was mein Ehemann für mich gekauft hatte. Ich strich behutsam über die weiche Verpackung. Sie fühlte sich unter meinen Fingern kühl und rutschig an.
„Mach es auf, Sadie.“
Ich setzte mich wieder auf den Stuhl, die Box auf meinen Knien. Ich schob den Tisch ein wenig von mir fort, sodass Adam mich sehen konnte, die Schachtel auf meinem Schoß. Auf meinen Beinen fühlte sie sich doch viel schwerer an als vorhin in meinen Händen.
„Komm schon“, sagte Adam leise.
Ich wollte seine Ungeduld nicht länger strapazieren. Ich schob einen Fingernagel unter den Klebestreifen an
Weitere Kostenlose Bücher