Beichte eines Verfuehrers
sagen, ich kenne Dans Mutter nicht.“
„Aber ich kenne sie. Und sie liebt Schuhe.“
„Denken Sie nicht, dass es auch andere Dinge gibt? Meinen Sie nicht, es wäre leichter, etwas zu finden, das Sie beide mögen?“
„Nein, das glaube ich nicht. Ich bin einfach nicht gut, wenn es um so was geht.“
Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und griff nach der Handtasche, die sie neben dem Stuhl abgestellt hatte. Aus der Tasche holte sie ein nachlässig zusammengefaltetes Kleidungsstück.
„Es ist ein Sweatshirt.“ Wieder verzog sie das Gesicht.
„Von Dans Mutter?“
Sie nickte.
„Darf ich es mir ansehen?“
Als sie seufzte, kam es mir so vor, als würde sie dieses Seufzen aus der Tiefe ihrer klassisch schwarzen Pumps hervorholen. Sie entfaltete das Sweatshirt, bis es so groß war, dass sie zweimal hineingepasst hätte. Dann stand sie auf und zeigte mir die Vorderseite.
„Du meine Güte …“ Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht in lautes Lachen auszubrechen.
„Kätzchen“, sagte Elle mühsam beherrscht. „Kätzchen, die mit Wollknäueln spielen.“
Ich musste mir die Hand vor den Mund legen, um nicht laut aufzulachen.
„Lachen Sie ruhig“, riet sie mir. „Dan hat auch gelacht, und wie!“
Ich gab nach und lachte. Sie knüllte die kitschige Scheußlichkeit zusammen und stopfte sie zurück in die Tasche.
„Hat er?“
„Er sagt, ich muss es nicht anziehen, wenn ich nicht will.“
„Aber Sie denken, dass Sie es tragen sollten. Weil es ein Geschenk ist.“
„Ja. Und ich werde es nie schaffen, Rinderbrust zu machen.“ Sie sah ziemlich sauer aus. „Jedenfalls nicht, ohne dass die Feuerwehr kommen muss. Und darüber konnte Dan auch lachen.“
Sie lächelte. „Schade, dass nicht das Sweatshirt gleich mit verbrannt ist.“
„Vielleicht beim nächsten Mal.“
Während sie noch einmal seufzte, schaute sie auf die Uhr. „Unsere Zeit ist um.“
„Ich hab noch ein paar Minuten“, sagte ich. „Hören Sie, Elle. Mögen Sie Dans Mutter?“
„Ja.“ Jetzt klang sie ein bisschen gequält, und ihr Lächeln war verschwunden. „Darum ist es ja so schlimm.“
Es beruhigte mich, dass sie das schon erkannt hatte. Ich lächelte sie aufmunternd an. „Weil Sie Dans Mutter nicht enttäuschen möchten.“
„Ich will sie nicht enttäuschen, und Dan ebenso wenig, mich nicht, meine Mutter …“ Sie verstummte.
„Ihre Mutter?“ Jetzt kamen wir zum Kern der Sache.
Elle nickte langsam. „Ja. Auch wenn ich eine schlechte Tochter bin, bleibe ich doch ihre Tochter. Und …“
„Sie fühlen sich illoyal.“
Sie nickte erneut. „Ja, das ist es wohl. Ich mag Dans Mutter wirklich.“
„Elle, das ist absolut in Ordnung. Deshalb müssen Sie sich nicht schlecht fühlen.“
„Ich hab einfach Angst, Dr. Danning. Ich bin zu lange eine schlechte Tochter gewesen. Ich weiß genau, wie das geht. Und ich weiß leider nicht, wie ich irgendwas anderes sein könnte.“
„Ist das Ihre Entschuldigung, um es nicht zu versuchen?“
Sie holte tief Luft. „Nein. Es ist eben einfacher, alles wie bisher zu machen. Ich spiele die Rolle, die ich schon so lange kenne.“
Bei ihren letzten Worten musste ich blinzeln, weil wir wieder auf Terrain angelangt waren, das auch mich betraf – wie schon bei einem unserer letzten Gespräche. „Es gibt keinen Grund, warum Sie sich nicht ändern können.“
„Selbst dann nicht, wenn sich dadurch alles ändert?“
Ermutigend schüttelte ich den Kopf. „Auch dann nicht.“
Elle stand auf und reichte mir zum Abschied die Hand. „Ich glaube, Sie haben recht, Dr. Danning.“
Ich drückte ihre Hand. „Ich weiß, dass Sie mir glauben. Aber Sie müssen auch an sich glauben. Viel Glück mit den Kätzchen.“
Sie schnaubte. „Oh, vielen Dank. Ich werde Ihnen berichten, wie es gelaufen ist.“
Nachdem sie meine Praxis verlassen hatte, nahm ich das Mobilteil meines Telefons zur Hand, um meine Schwester anzurufen. Ich wollte mich bei ihr entschuldigen. Aber dann legte ich das Telefon wieder auf die Basisstation, weil ich nicht wusste, was ich ihr sagen sollte.
7. KAPITEL
April
Diesen Monat heiße ich Honey Adams. Ja, wirklich. In dem Moment, als mein Vater mich das erste Mal in meinem kleinen rosafarbenen Bettchen auf der Babystation gesehen hat, wusste er, dass ich so süß wie Honig sein würde. Und er hat recht behalten, finde ich.
Meine Schwester heißt Angel, weil mein Vater bei ihrer Geburt fand, dass sie wie ein Engel aussah. Heute ist die Taufe ihres Sohns
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