Beichte eines Verfuehrers
die Kunst der Sprechpause perfektioniert. „Okay …“, sagte sie langsam.
Ich konnte sie nicht ansehen. Konnte nicht ihre geröteten Wangen ansehen oder die Wölbung ihres Bauchs, in dem sie das Baby trug. Ein Baby, das ich nie haben würde. Eine Freude, die ich nie gewollt hatte und für die es jetzt zu spät war. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und straffte die Schultern.
„Ich muss nach Hause.“
„Was ist los?“, fragte sie. „Hat Mum dir mal wieder zugesetzt?“
„Nein.“
„Meine Güte, es sah nur so aus, das ist alles. Sadie, was ist mit dir los?“
Das war genau die Frage, die ich Katie gestellt hätte, wenn es nach unserer Mutter ginge. Ich blickte sie an und fing ihren halb lächelnden, halb fragenden Blick auf. Sie hatte wirklich keine Ahnung.
„Mum wollte, dass ich mit dir rede. Sie macht sich mal wieder Sorgen um dich.“
Katie verdrehte die Augen. Normalerweise hätte ich mich jetzt besser gefühlt und vielleicht hätten wir auch kurz über die Gluckenhaftigkeit unserer Mutter gelacht. Heute aber war es nur ein zusätzlicher Schmerz, der mich traf. Sie hatte alle Aufmerksamkeit, obwohl sie diese nicht brauchte.
„Ja, sie hat mich auch ausgefragt“, sagte Katie. „Sie denkt wirklich, ich könnte nicht selbst auf mich aufpassen. Nun, immerhin hat sie mir vorgeschlagen, Lily hin und wieder zu nehmen, damit ich mich etwas entspannen kann.“
Sich um ein Enkelkind zu kümmern war sicher etwas völlig anderes, als sich um einen Schwiegersohn zu kümmern, das wusste ich natürlich. Trotzdem verhinderte dieses Wissen nicht, dass ich mich plötzlich ungerecht behandelt fühlte. Es war völlig irrational, aber ich konnte nichts dagegen tun.
„Hey, wenn sie Lily nimmt, könnten wir beide doch mal zusammen ins Kino gehen, was meinst du?“
„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht kann, Katie.“
„Ach ja“, seufzte sie. „Wegen Adam.“
„Ja, wegen Adam!“, fauchte ich. „Ich kann ihn nun mal nicht alleine lassen!“
„Ich dachte, ihr habt jemanden …“
Ich schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Mrs. Lapp geht um halb sechs und Dennis kommt nicht vor neun. Es kostet mich verdammt viel Geld, wenn die beiden zu einer anderen Zeit kommen, okay? Es ist teuer, und es tut mir leid, wenn ich kein Geld habe, um mir so viel leisten zu können wie du. So ist es nun mal.“
Ohne ihr Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, wandte ich mich ab. „Ich muss los.“
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, rief sie. „Mein Gott, Sadie, ich hab doch nur gedacht, eine kleine Pause könnte dir guttun.“
Es gab in meinem Leben zwei Leute, die in der Lage waren, mich zur Weißglut zu bringen: Adam und Katie. Die beiden Menschen, die ich am meisten liebte.
„Du verstehst es einfach nicht“, gab ich hitzig zurück.
„Wenn du mir davon erzählen würdest, könnte ich es wenigstens versuchen!“
„Aber du fragst ja nie!“ Unsere Stimmen wurden immer lauter.
„Ja, weil du nie darüber reden willst!“ Katie ballte die Fäuste. „Du redest nie mit uns darüber, wie es ihm geht. Wir fragen dich jedes Mal, und du sagst, es gehe ihm gut. Er kommt nie mit, und wenn wir euch besuchen, bleibt er in seinem Zimmer. Lily kennt ihn kaum!“
„Ich rede nie über ihn, weil die Details niemand von euch wissen will! Es ist unbequem und nicht sehr unterhaltsam. Es ist doch für dich einfacher zu denken, dass es diese Probleme nicht gibt. Es ist einfacher, wenn ich sie für mich behalte!“ Meine Stimme hallte im Raum wider. Plötzlich wirkte Katie schuldbewusst, und ich wusste, dass ich recht hatte. Aber ich wusste auch, wie unfair ich zu ihr war.
„Sadie, es tut mir leid.“
„Mach dir keine Sorgen“, sagte ich und wollte am liebsten alles Gesagte ungeschehen machen. „Für mich ist es auch einfacher, wenn ich nicht darüber rede.“
Dann verließ ich den Flur und sie rief mir nicht hinterher. Meine Mutter fing mich ab, als ich auf dem Weg nach draußen war.
„Sadie Frances, wo um alles in der Welt gehst du hin?“
Ich drehte mich zu ihr um. „Sorry, Mum, aber ich muss heim.“
„Hast du mit Katie geredet?“
„Es geht ihr gut. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.“
„Das tue ich aber. Sie ist meine Tochter.“
„Das bin ich auch“, antwortete ich knapp.
„Ach, Sadie.“ Meine Mutter trat zu mir und tätschelte meine Schulter. „Um dich musste ich mir nie Sorgen machen. Ich weiß, dass du auf dich aufpasst, nicht wahr?“
Die
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