Beichte eines Verfuehrers
Kluge. Die Schöne. Die Rollen, die wir schon in der Schule gespielt hatten, fielen immer wieder auf uns zurück. „Ja, ist schon in Ordnung, Mum.“
Ich wollte weiterhin so sein, wie sie alle mich kannten. Ich hatte Katie die Wahrheit gesagt. Es war für uns alle einfacher, wenn ich es so beließ. Außerdem war es die Geburtstagsparty meines Vaters. Ich umarmte meine Mutter mit einem Lächeln, und gratulierte meinem Vater zum Geburtstag.
Als ich heimkam, blieb ich zehn Minuten vor Adams Schlafzimmertür stehen und hörte, wie er und Dennis gemeinsam lachten. Ich versuchte, die Welt und alles was sie ausmachte, nicht zu hassen.
Elle war heute erstaunlich schweigsam. Das war nicht ungewöhnlich, aber es war auch nicht der ersehnte Schritt nach vorne. Sie zappelte auf ihrem Stuhl herum und hatte ihre Finger im Schoß verschränkt. Heute trug sie wieder schwarze und weiße Kleidung. Und das war definitiv ein Rückschritt.
„Es ist wegen Dans Mutter“, sagte sie schließlich. Danach schwieg sie.
Elle sprach selten von Dans Familie. „Was ist mit ihr?“
„Sie ist nett.“
Ich musste einen Moment überlegen, ehe ich antwortete. Ich hatte erwartet, dass sie sich beklagte. Weil ich wusste, dass Elle die Angewohnheit hatte, um ein Problem herumzuschleichen, bevor sie zum Kern der Sache kam, fragte ich behutsam: „Meinen Sie, dass seine Mutter wirklich nett ist? Oder sagen Sie es nur?“
Sie blickte mich an. In ihrem Lächeln lag etwas Schuldbewusstes. „Sie kennen mich einfach zu gut, Dr. Danning.“
„Ich denke, das ist der Punkt, nicht wahr?“, stichelte ich vorsichtig. Das war nicht immer die richtige Taktik, aber ich wusste, dass es bei Elle funktionierte.
„Ich glaube schon.“ Sie seufzte und zog die Schultern hoch. Als sie sich dessen bewusst wurde, atmete sie tief durch und versuchte, sich zu entspannen. „Nein, ich meine, sie ist wirklich nett. Supernett sogar. Sie ist so … so wie eine Mutter eben sein soll. Mutti deluxe. Mutti im Quadrat.“
„Also ganz anders als Ihre Mutter.“
Unwillkürlich lachte Elle. Sie schlug sich sofort eine Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu unterdrücken, als fühlte sie sich schuldig, weil sie es lustig fand, was ich sagte.
„Ja genau, total anders als meine Mutter.“
„Elle, selbst wenn alles, was Sie mir über Ihre Mutter erzählt haben, eine Lüge gewesen ist, denke ich doch, dass sie ungeübt darin ist, Mutter zu sein.“
Diesmal verdeckte Elle ihr Lachen nicht mit der Hand. „Das bestreite ich auch gar nicht.“ Sie machte eine Pause. „Denken Sie, dass ich Sie anlüge?“
„Nein.“
„Gut. Denn ich habe Sie nicht angelogen.“
„Gut.“
Sie blickte mich an. „Dans Mutter hat mich gefragt, ob wir zusammen einkaufen gehen. Sie hat mir ihr geheimes Rezept für Rinderbrust verraten. Sie … ach, verdammt. Dr. Danning, sie mag mich.“
Für einige Momente ließ ich diese Worte still zwischen uns stehen.
„Und warum sollte sie Sie nicht mögen?“
Ein wortloses Geräusch kam über ihre Lippen.
„Elle. Ob Sie es mir glauben oder nicht, viele Frauen wären froh darum, wenn die Mutter ihres Freundes sie mögen würde.“
Elle legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke.
„Dan hat keine Schwestern. Seine Mutter ist selig, weil sie jetzt endlich eine Tochter hat. So sagt sie.“
Warum dieser Wunsch so problematisch war, konnte ich mir schon denken. Aber ich wollte, dass sie es mir selbst sagte. Ich wartete. Aber Elle rieb sich die Stirn und rutschte unruhig auf dem Stuhl herum, bevor sie schließlich seufzte.
„Ich weiß eben nicht, wie das geht.“
Ich wartete weiter.
„Ich weiß nicht, wie es ist, eine Tochter zu sein.“ Jetzt war es heraus, und nachdem sie die Worte so atemlos hervorgebracht hatte, atmete Elle tief durch, als würde sie nach Luft schnappen.
„Denken Sie, dass Dans Mutter zu hohe Erwartungen hat?“
„Ja!“
Ihre heftige Antwort schreckte mich auf. Ihre Finger tippten einen schnellen Rhythmus auf die Stuhllehne. Ich beobachtete sie. Mit diesem Ausruf wich alle Spannung von ihr, wie bei einem Wollknäuel, das sich entrollte. Langsam entspannte sie sich wieder.
„Warum denken Sie, dass seine Mutter zu hohe Erwartungen hat?“
„Weil sie schon immer eine Tochter gewollt hat. Und jetzt bin ich plötzlich da und sie denkt, dass ich ihre Tochter bin. Denken Sie nicht, dass sie lange Mutter-Tochter-Gespräche erwartet und Shoppingtouren und Gekicher über alberne Schuhe?“
„Das kann ich nicht
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