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Beichte eines Verfuehrers

Beichte eines Verfuehrers

Titel: Beichte eines Verfuehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hart Megan
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Abend.“
    „Ja, das stimmt.“ Ich lächle und warte.
    Aber er lächelt nur. Die Rockschöße unserer Mäntel küssen sich, aber wir tun es nicht.
    Joe streckt mir die Hand entgegen und ich schüttle sie zum Abschied. In diesem Moment bin ich mir sicher, dass ich ihn bald wiedersehen werde.
    Ich saß still neben Joe. Betäubt. Ich hatte nicht mal meinen Salat angerührt, obwohl mein Bauch schon seit dem Morgen geknurrt hatte. Jetzt war in meinem Magen ein schmerzender Aufruhr.
    Joe saß aufrecht neben mir auf der Bank und starrte geradeaus. Eine Frau joggte vorbei, die Kabel ihrer Kopfhörer baumelten unter der Baseballkappe hervor. Sie drehte den Kopf, um ihn anzuschauen, als sie vorbeilief. Diese Geste kam so automatisch, dass sie kaum beabsichtigt sein konnte. Doch Joe nahm sie kaum wahr.
    Nach ein paar Minuten, in denen das einzige Geräusch zwischen uns das Rauschen des fernen Straßenverkehrs und das gelegentliche Bellen von Hunden war, drehte Joe sich mit einer steifen, beinahe roboterhaften Bewegung zu mir um.
    „Frag mich schon, Sadie.“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Frag mich, warum ich nicht mit ihr geschlafen habe.“
    Ich konnte den Blick nicht von seinem Gesicht lassen. Wenn er lächelt, dachte ich, werde ich aufstehen und gehen. Und ich werde nie wieder zurückkommen.
    „Willst du es nicht wissen?“
    Nein, ich wollte es wirklich nicht wissen. Er hatte die Regeln gebrochen. Ungeschriebene Regeln, aber wir wussten beide, dass er sie gebrochen hatte. Wenn er keine Geschichte zu erzählen hatte, gab es für mich auch nichts, das ich mir anhören konnte. Und dann hatten wir keinen Grund mehr, uns zu treffen.
    „Ich habe mich seit diesem Abend dreimal mit ihr getroffen.“ Sein Tonfall war nicht verteidigend oder selbstgefällig, sondern sehr sachlich. „Und ich werde sie heute Abend wieder treffen.“
    Ich schluckte meine Antwort herunter, die wie eine Spinne bitter und kränkend in meinem Hals steckte. Als ich nichts sagte, richtete Joe sich wieder auf der Bank auf und starrte geradeaus. Eine leichte Brise hob das Ende seiner Krawatte an. Er kreuzte die Beine und ich sah unter den schwarz gemusterten Socken, die er trug, wie sich sein Knöchel abzeichnete. Das war zu viel für mich. Ich schaute weg.
    „Warum hast du nicht mit ihr geschlafen, Joe?“
    Er sah mich wieder an. „Weil sie anders ist.“
    Seine Beschreibung von ihrem Auftreten, der Unterhaltung, ihrem Duft … ja, all das zeigte mir, dass es bei ihr nicht dasselbe war wie bei dem Dutzend anderer Frauen, deren Geschichten er mit mir geteilt hatte. Von den anderen hatte er mit mehr Bewunderung gesprochen. Mehr Leidenschaft. Manchmal auch mit mehr Enthusiasmus.
    Aber bis heute hatte er sich nie darauf eingelassen, sich mit einer der Frauen zu einem Date zu treffen.
    „Möchtest du nicht wissen, warum sie anders ist?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Joe. Das möchte ich nicht wissen.“
    Er blickte beiseite, fort von dem leeren Kiesweg vor unseren Füßen. Ich zuckte leicht mit den Schultern, hob die Augenbrauen, verzog den Mund. Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und rieb sich die Augen. Dann stand er auf.
    Eine junge Frau mit einem Kleinkind an der Hand überquerte den Rasen. Der kleine Junge watschelte entschlossen drauflos, doch als er strauchelte, war seine Mutter sofort da, um ihn aufzufangen. Joe und ich beobachteten sie, bis sie verschwunden waren.
    „Ich wünsche dir heute Abend viel Spaß.“
    Ich klang so überzeugend, dass ich es mir fast selbst abgenommen hätte. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich auch Joe überzeugt hatte, aber er sagte nichts. Er nickte nur und ging.
    „Er sieht aus wie du.“ Ich studierte das kleine, zerknautschte Gesicht des Babys in Katies Armen.
    Katie, der die Erschöpfung anzusehen war, lächelte glücklich. „Mann, danke. Ich sehe aus wie ein alter, glatzköpfiger Mann?“
    „Natürlich nicht! Aber er hat deine Nase.“ Ich strich über das kleine, schlafende Gesicht. „Wann kommen Mum und Dad zurück?“
    „Evan musste für ein paar Stunden ins Büro, also bringen sie Lilly aus der Vorschule heim. In einer Stunde, denke ich.“
    „Ich sollte langsam gehen, damit du etwas Ruhe hast.“
    „Sadie …“
    Ich sah von der Betrachtung meines neuen Neffen auf. „Ja?“
    „Kannst du ihn einen Moment halten? Ich muss mal pinkeln.“
    „Ja klar.“
    So machten wir es. Katie stieg behutsam aus dem Bett und verschwand im Badezimmer. Ich blickte auf das kleine Häuflein Mensch

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