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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hat er gar nicht richtig Luft gekriegt, weil, er hatte nur noch einen Lungenflügel, wollen Sie nicht noch ein Gläschen?« Zittrig griff sie nach der Karaffe, aber Berndorf lehnte ab, der Alkohol gehe ihm zu schnell ins Blut, das sei er nicht gewöhnt.

    »Und was hat die Marianne dann gemacht?«
    Sie blickte ihn an, als hätte sie die Orientierung verloren.
    »Als der Oberbuchhalter wegen der Fremdarbeiter so geschrien hat - was hat die Marianne da gesagt?«
    »Ach, das meinen Sie! Ja, das weiß ich noch gut, die hat sich hingestellt und ihm ins Gesicht gesagt, dass sie mich das so angewiesen hat, weil sie die Richtlinien auch anders versteht als der Oberbuchhalter, und hat ihn angeschaut mit ihrem kalten Blick, den sie hat haben können, und auf einmal hat er gar nichts mehr gesagt.« Sie schaute auf das Tischtuch, und Berndorf folgte ihrem Blick und sah, dass das Tischtuch ziemlich fleckig war.
    »Ein andermal sollte ich für die Mutter Weckgläser besorgen, aber nirgendwo gab es welche, auch beim Hirrle nicht, und da hat die Marianne gesagt, da gehen wir jetzt noch einmal hin... Ich wollte nicht, weil mich der Hirrle beim ersten Mal schon so hat abfahren lassen, aber sie hat mich an der Hand genommen, und wir sind hin, und auf einmal hat der Hirrle doch noch sechs Stück gehabt, mehr sind in meinen Rucksack auch gar nicht hineingegangen …«
    »Als die Amerikaner kamen«, warf Walleter ein, »hat sie doch für die Leute im Dorf gedolmetscht. Mein Bruder erzählt das.«
    »Einmal«, antwortete sie. »Da wollten sie uns fast die letzte Kuh beschlagnahmen, und ich bin mit dem Rad zu ihr, ob sie uns nicht helfen kann, und sie ist mit mir zum Kommandanten gefahren und hat mit ihm geredet, auf englisch, aber sonst grad so wie sonst mit dem Oberbuchhalter, und hat ihn auch so angeschaut, und plötzlich hab ich gesehen, dass der nicht weiterstreiten will, und sie haben uns auch wirklich die Kuh gelassen.«
    »Sie sind mit dem Rad zu ihr gefahren«, sagte Berndorf. »Marianne hat damals also nicht mehr bei den Zementwerken gearbeitet?«
    »Nein, sie hat dann doch das Kind bekommen«, antwortete sie. »Und sie kam dann auch nicht mehr zu uns... Das muss man ja verstehen. Aber vorher...« - plötzlich lächelte sie, fast schamhaft - »vorher war sie oft bei uns, das war in der Zeit, als ihr
Mann weg war, meistens ist sie dann am Samstag mit dem Rad gekommen und ist bis zum Sonntag geblieben.« Sie sah Berndorf an. »Eine schönere Zeit hab ich nie gehabt.«
     
     
     
    Kuttler saß ganz hinten, in der letzten Ecke von Tonios Café, und hob kurz die Hand, als Berndorf und Walleter hereinkamen. Vor zwanzig Minuten hatte er Berndorf auf dessen Mobiltelefon angerufen und sich mit ihm verabredet; nach dem Anlass hatte Berndorf nicht gefragt.
    Walleter blieb vorne am Tresen stehen, und Berndorf ging weiter zu Kuttler. Es war früher Nachmittag, und im Café befanden sich kaum andere Gäste. Trotzdem schien sich Kuttler unbehaglich zu fühlen. Er stand auf.
    »Könnten wir draußen ein paar Schritte gehen?«
    Er hatte bereits bezahlt, Berndorf nickte Walleter zu, und ohne weiteren Aufenthalt verließen sie das Café. Draußen hatte es zu nieseln begonnen, und als sie aus der Platzgasse heraus kamen und am Landgericht entlanggingen, kam eine Bö und brachte einen Schwall Regen mit. Kuttler holte seine verknautschte Südstaatenmütze aus der Manteltasche, setzte sie auf und zog sie zurecht.
    »Irgendwer«, sagte er und deutete nach oben, zum Obergeschoss des Landgerichts, »sollte heute noch Veesendonk aufsuchen. Es wäre gut, wenn er den Prozess gegen Morny abgeben würde. Solange er das noch selbst tun kann.«
    »Ah ja?«, machte Berndorf.
    »Ich finde, Sie sollten ihm das sagen. Von Ihnen kann er es eher annehmen als von mir.«
    »Veesendonk war also auf dem Ball?«, fragte Berndorf. »Aber das allein kann es nicht sein. Sie haben also …?«
    »Ich habe heute Fionas Handy bekommen«, erklärte Kuttler. »Wollen Sie nicht wissen, wessen Nummer unter vau-e-de gespeichert war?«
    »Wenn Sie mich so fragen, werde ich es mir denken können«, sagte Berndorf. »Der Dienstanschluss?«

    Kuttler nickte.
    »Das Handy befindet sich jetzt bei der Spurensicherung?«
    Kuttler murmelte, etwas verlegen, Zustimmung.
    »Und warum wollen Sie nicht warten, bis die Sache ganz von selbst ins Rollen kommt?«
    »Weil der Richter Veesendonk ein freundlicher Mensch ist«, brach es aus Kuttler heraus. »Weil er, als Eisholm mich vor Gericht hat

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