Beifang
nichts gefangen, sagte er, sondern etwas verloren, meine Telefonnummer stellt demnach einen Beiverlust dar.«
»Nett, wenn die Steinbronners scherzen«, bemerkte Berndorf und steckte die Kopien ein.
»Moment«, sagte Veesendonk. »So leicht kommen Sie mir nicht davon … Der Fall Morny ist nun zwar geklärt, ich habe heute Morgen verfügt, den Angeklagten freizulassen, mit einer
gewissen Erleichterung habe ich es getan, ich gebe es ja zu, der Fall hat mir längst schon Unbehagen bereitet. Und die Verhandlung gegen den wirklichen Täter, ich korrigiere mich: gegen den mutmaßlich wirklichen Täter - diese Verhandlung werde nicht mehr ich führen. Trotzdem … etwas wüsste ich doch gerne. Das erste Verfahren ist ja letztlich auch an der Frage gescheitert, wo eigentlich dieser Schmuck abgeblieben ist. Jetzt haben wir nicht nur einen neuen Angeklagten, sondern auch ein Geständnis - oder etwas, was einem solchen gleichkommt. Aber diese Kette und diesen Ring, die haben wir noch immer nicht.«
Berndorf schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie es. Dieser Schmuck steht den deutschen Justizbehörden nicht zu.«
»Aber meine Hilfe haben Sie gerne in Anspruch genommen?«
»Ich danke Ihnen für die Kopien«, antwortete Berndorf. »Falls ich jedoch tatsächlich diesen Schmuck gefunden haben sollte und falls es mir weiter gelingen würde, die rechtmäßigen Besitzer oder ihre Erben ausfindig zu machen - falls dies alles so wäre, verehrter Herr Richter Veesendonk, so würde ich diese Erben keinesfalls der Zumutung aussetzen, ausgerechnet jene deutschen Beamten um Herausgabe bitten zu müssen, deren Vorgänger im Amt diesen Schmuck schon einmal zu stehlen versucht haben.«
»Da haben Sie gerade sehr schön die Trompete der moralischen Selbsterhöhung geblasen«, lobte Veesendonk. »Aber wie Sie meinen... Fahren Sie jetzt zurück nach Berlin?«
»Demnächst, ja... Eigentlich habe ich noch eine Frage, nur eine noch.«
»Und warum sollte ich Sie beantworten?«
Berndorf zuckte mit den Schultern. »Wann hat Ihnen Eisholm erzählt, was auf der Rückfahrt von Nimes wirklich passiert ist?«
»Ach?« Veesendonk hob die Augenbrauen. »Was wirklich passiert ist! Ich bin erstaunt, mein Lieber. Ein alter Fahrensmann wie Sie - und nimmt ein solches Wort in den Mund, als wäre das Vergangene ein wenig Kleingeld aus dem Portemonnaie des
Gedächtnisses und jederzeit abzählbar. Was wirklich passiert ist … Da es Ihnen Eisholm nicht mehr erzählt haben kann, werden Sie mit Vren gesprochen haben...« Er runzelte die Stirn. »Aber natürlich!«, fuhr er plötzlich fort. »Sie haben Vren besucht, weil Sie wissen wollten, ob sie am Ende der gleiche Phänotyp ist wie die unglückliche Fiona, ist es nicht so?«
»Eigentlich nicht«, meinte Berndorf. »Der Beweiswert wäre ein wenig dünn gewesen, finden Sie nicht?«
»Was wollten Sie denn beweisen?«
»Sie haben das Richter-Syndrom«, konstatierte Berndorf.
»Bitte?«
»Die Fragen stellen immer Sie. Nur bin ich kein Angeklagter.«
»Ich vielleicht? Aber sagen Sie - wie geht es Vren?«
»Das ist eine sehr sympathische, sehr gewinnende Frau«, antwortete Berndorf rücksichtslos, »jemand, dem man sich nicht so leicht entzieht.«
»Sie werden doch nicht …« Der Richter warf einen prüfenden Blick auf Berndorf. »Doch das geht mich nichts an … über mich sagte sie nichts?«
»Ach! Sie werden es vertragen - aber das Bild von Ihnen, das Sie gezeichnet hat, ist eher blass geblieben. Was sich ihr eingeprägt hat, ist diese letzte Fahrt mit dem Campingbus, genauer: die Rückfahrt von Nimes. Deswegen wollte ich wissen, wann Ihnen Eisholm davon erzählt hat.«
»Was sollte er mir denn erzählt haben?«
Berndorf blickte Hilfe suchend auf, aber an der Wand hinter dem Richter hing nur die vergrößerte und gerahmte Fotografie zweier Schachspieler, und die interessierten sich bis ans Ende der Zeiten für nichts anderes als ihre Partie. »Nun gut«, sagte er, »auf dieser Rückfahrt hat dieser Bus den Geist aufgegeben, und hätte nicht ein junger französischer Mechaniker seinen Ehrgeiz darein gesetzt und das Auto wieder in Gang gebracht, aus Freundlichkeit, aus Sportsgeist oder weil ihm die junge Deutsche gefallen hat - so hätten Sie alle vier nach Hause trampen müssen, was auch kein Unglück gewesen wäre. Aber das wissen
wir alles, und es ist auch nicht weiter interessant, sondern interessant ist nur, wann genau Eisholm Ihnen erzählt hat, wie er an jenem Abend draußen vor der Garage stand
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