Beifang
und zeigte zu der Rauchsäule: »Aber ein Kalb wollen Sie hoffentlich nicht schlachten.«
»Kein Kalb.« Walleter schüttelte den Kopf. »Der Tod und sein Reich wurden geworfen in den feurigen Pfuhl …« Mit einer ausholenden Handbewegung wies er auf den Hauseingang. »Es ist alles weg. Vor ein paar Tagen hat Niko damit angefangen, und niemand hat ihn aufhalten können. Erst ist er mit der Motorsäge auf die Wurzelstöcke los, bis alles Kleinholz war, und das hat er dann ins Feuer geworfen.«
»Warum?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Walleter. »Der Anfang seiner Worte ist Narrheit, und das Ende ist schädliche Torheit, heißt es in der Schrift. - Wollen Sie versuchen, mit ihm zu reden?«
Berndorf nickte, und Walleter ging ihm voran, erst zur leeren Scheune und dann über die leere Tenne weiter zur rückwärtigen Hofseite. Judith Kahn und Barbara Stein folgten, nachdem sie sich mit einem Blick verständigt hatten.
Das Feuer war bis zur Glut heruntergebrannt, nur am schwärzlichen Rest eines einzelnen Wurzelstocks züngelten noch bläuliche Flammen. Ein hagerer Mann hockte davor und stocherte mit einem Stecken in dem Feuer, um es noch einmal aufflammen zu lassen. Es sah ungeschickt aus, vielleicht, weil er den Stecken in der linken Hand hielt.
»Niko«, sagte Walleter, »da ist Besuch für dich.«
Der Mann reagierte nicht, und Walleter berührte ihn mit der
Hand an der Schulter. Jetzt erst blickte Niko Walleter hoch und versuchte - als er Berndorf und die beiden Frauen sah - aufzustehen, dabei schwankte er, dass Wendel ihm unter den Arm greifen und ihn hochziehen musste.
»Schönes Feuer«, sagte Niko Walleter. Er sprach undeutlich, und sein Blick irrte über die beiden Frauen und blieb an Berndorf hängen. »Verbrennen. Alles muss verbrennen. Wenn nichts mehr … dann ist gut.« Er stand krumm, zur Seite geneigt, als würde er von seinem rechten Arm nach unten gezogen.
»Herr Walleter«, sagte Berndorf. »Ich will Sie mit jemand bekannt machen, verstehen Sie das? Jemand, dessen Großmutter Sie...« - er zögerte - »dessen Großmutter Sie gekannt haben.«
Niko Walleter machte eine Bewegung, die aussah, als wollte er den Kopf schütteln.
»Sehen Sie denn nicht, was hier los ist?«, sagte Judith Kahn und trat an Berndorf vorbei auf Niko Walleter zu und hob prüfend dessen rechten Arm hoch. Dann wandte sie sich um und suchte Berndorfs Blick. »Rufen Sie einen Notarzt. Sofort«, sagte sie befehlend. »Sagen Sie ihm nur: akuter Hirninfarkt.«
Spät am Abend, nachdem sie Judith Kahn-Ericson an den Flughafen Echterdingen gebracht hatten, erreichten Berndorf und Barbara das kleine Dorf im Hochschwarzwald, wo Berndorf ein Ferienhaus gebucht hatte; der Vermieter hatte für diesen Abend gar nicht mehr mit ihnen gerechnet, und im einzigen Wirtshaus war die Küche schon geschlossen. Aber die Betten waren bezogen, der Vermieter half mit Brot, Speck und Eiern aus, und am anderen Morgen erblickten sie über dem bewaldeten Hügelkamm fern im Süden die Gipfelkette des Berner Oberlandes, die Sonne schien, und eine Kuhherde zog grasend am Ferienhäuschen vorbei, dass Berndorf dachte, es sei doch fast schon wieder zuviel.
Nach dem Frühstück kauften sie im nächsten größeren Ort für das Wochenende ein, in einem Souvenirladen gab es auch Zeitungen, Barbara fand einen Blumenladen und besorgte einen Strauß für das kleine Wohnzimmer mit dem Kachelofen.
»Moment«, sagte Berndorf, »ich brauch auch einen. Falls man den von hier aus schicken kann.«
»Ach!«, meinte Barbara. »Du musst jemandem einen Blumenstrauß schicken? Einer Jemandin?«
»Sie heißt Puck«, erklärte Berndorf.
Wieder eine Stunde später lag er im Liegestuhl auf der Terrasse, sah die Zeitungen durch und überlegte, ob er eine in der Münchner Zeitung abgedruckte Schachpartie nachspielen solle, gähnte und blickte auf, denn Barbara kam und stellte einen Laptop auf den Terrassentisch und klappte den Sonnenschirm auf.
»Musst du arbeiten?«
»Ich doch nicht«, kam die Antwort. »Du musst es. Diese Geschichte, die du Mrs. Kahn versprochen hast... Sie hätte sonst den Ring nicht genommen.«
»Vergiss es«, antwortete er. »Sie hat alle Fakten. Fast alle. Und was sich zwischen Franziska Kahn und Marianne Gaspard damals abgespielt hat, das wissen wir nicht und können es nur vermuten.«
»Fast alle Fakten? Welche hast du ihr denn nicht erzählt?«
»Da gibt es ein, zwei Dinge«, murmelte Berndorf, »die sind … privat sind die.«
»Sind
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