Beifang
auch sehr alt und vielleicht wertvoll. Was man halt so sagt...«
Donnerstag, 14. Februar, später Nachmittag
Ende zwanzig?«
»Anfang dreißig«, antwortete die Anwältin, nahm das Gas zurück und schaltete. »Ich nehme an...« Sie sprach nicht weiter. Eine Kreuzung kam in Sicht. »Wohin jetzt?«
Berndorf sagte ihr, dass sie sich links einordnen solle. »Und was nehmen Sie an?«
»Ach nichts. Die Verfallszeiten werden immer kürzer. Aber das ist ein Problem, von dem Männer offenbar glauben, dass es sie nicht betrifft.«
Berndorf zog die Augenbrauen hoch. »Kann es sein, dass Sie schon länger in keiner Buchhandlung mehr gewesen sind? Das Liebesunglück alter Männer füllt dort ganze Regale.«
»Um davon zu erfahren, muss ich nicht in eine Buchhandlung.« Sie lachte, kurz und unfroh. »Und Sie? Wie ist das, wenn jemand wie Sie vom Liebesunglück heimgesucht wird? Was tun Sie dann, nachts, einsam, einen Verdächtigen belauernd, sein Fenster beobachtend, und gleichzeitig stellen Sie sich ein ganz anderes Fenster vor und was dahinter geschehen mag...« Der Roadster war auf die Westtangente eingebogen, die von der Universität ins Donautal führt und weiter zu den Fernstraßen an den Bodensee und ins Allgäu. Der Regen hatte aufgehört, aber noch immer war es nass auf den Straßen, und die Scheibenwischer schmierten über das Fensterglas. »Oder ist ein solcher Fall in Ihrer inneren Dienstanweisung nicht vorgesehen?«
Berndorf schwieg.
Die Anwältin drückte aufs Gas, der Roadster beschleunigte und schoss durch aufspritzende Wasserfontänen an einem Lastzug vorbei. Ein Wagen kam entgegen und blendete auf. Dr. Drautz hob die Hand, den Mittelfinger hochgestreckt.
Eine Ausfahrt kam in Sicht, der Roadster verließ die Umgehungsstraße und bog nach rechts ab. Die Straße führte durch ein kurzes Stück Brachland, unterbrochen von grauem Gestein, und erreichte die Ausläufer eines Wohngebiets, das bereits zu Ulms westlicher Nachbargemeinde Blaustein gehörte. Rechts der Straße erhoben sich in Hanglage Ein- und Zweifamilienhäuser, links der Straße lagen Siedlungshäuschen, die man in der ersten Nachkriegszeit oder noch früher dort hingestellt hatte. Doch diese Häuserzeile brach wieder ab, zwischen Gesträuch und kahlen Bäumen zeichnete sich ein allein stehendes spitzgiebliges Haus ab, die Fassade über dem weiß verputzten Erdgeschoss mit Holz verkleidet, weiß gestrichen auch die Sprossenfenster. Vor dem Haus stand der Wagen einer Malerwerkstatt, und über dem Balkongeländer hing ein Plakat: »Zu vermieten«, dazu eine Telefonnummer.
Berndorf verglich die Hausnummer mit derjenigen, die er sich in seinem Notizbuch notiert hatte: In der Halde 7... »Hier«, sagte er. »Fiona und Ekkehard Morny haben hier gewohnt.«
Die Anwältin stoppte den Roadster hinter dem Werkstattwagen, sie stiegen aus, aber die Anwältin blieb zunächst stehen und sah sich um, so als ob sie sich unbehaglich fühle. Schließlich folgte sie Berndorf, der ganz selbstverständlich auf das Haus zuging. Die Haustür war geöffnet, der Eingangsbereich mit Planen ausgelegt. Eine Treppe führte nach oben, die Tür zu einem nach Süden ausgerichteten Wohnzimmer war ausgehängt. Auch dort waren Planen ausgelegt, und ein Maler war dabei, den Rauputz des Wohnzimmers neu zu weißeln. Die Fenster waren mit Folien gegen Spritzer geschützt.
Der Maler hielt inne und sah ihnen entgegen.
»Können wir uns umsehen?«, fragte Berndorf. »Uns ist das Schild draußen aufgefallen...«
Der Maler hob die Hand zu einer Geste, deren Sinn nicht klar zu erkennen war. »Müsse dort frage.«
Berndorf und die Anwältin drehten sich um, ein junger, groß gewachsener Mann stand vor ihnen, er musste fast unhörbar die Treppe heruntergekommen sein.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er höflich. Sein Blick hatte die Anwältin gestreift, danach hielt er ihn auf Berndorf gerichtet. Eher ein Junge als ein Mann, dachte der, achtzehn oder neunzehn Jahre alt, sportlich, muskulöse Schulterpartie, das dunkle Haar mit einem Gel aufgesträhnt.
Berndorf wiederholte seine Bitte.
»Ich kann Ihnen das Haus gerne zeigen«, sagte der junge Mann. »Aber über die Einzelheiten müssen Sie mit meinen Eltern sprechen.« Er machte eine Geste, als wolle er sie einladen, ihm zu folgen. »Ich bin Lukas«, sagte er noch.
»Und ich bin Elaine«, antwortete die Anwältin und berührte mit den Fingerspitzen seinen Oberarm. »Sie treiben Sport, Lukas?«
»Ein wenig... nur so zum
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