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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Er dachte nichts, und dieses Nicht-Denken war ihm angenehm, es war absichtslos und die beste Vorbereitung auf das eine Wort oder das eine Bild, auf das alles ankam. Falls es ihm je begegnen würde.
    Sein Handy begann zu vibrieren, er zog es heraus und meldete sich.
    »Wo bist du, was tust du, wie geht es dir?«, wollte Barbaras morgenfrische Stimme wissen, er sah sie vor sich: vielleicht noch im Bademantel, die erste Tasse Tee in der freien Hand.
    »Im Zug. Ich döse.«
    »Was sind das für Antworten! Was für ein Zug, wohin fährt der, was tust du dort, wieso musst du am helllichten Tag dösen, was hast du in der Nacht getrieben?«
    »München, dann S-Bahn nach Starnberg, dann zur furchtbaren Witwe.«
    »Die können nicht immer lustig sein. Ist es die von Eisholm? … Ich hab aber vor allem wissen wollen, was du in der Nacht getrieben hast. Es muss sehr spannend gewesen sein.«
    »Nächste Frage, bitte.«
    »Du hast nicht angerufen!«
    »Ich weiß.« Warum gab es hier keine Funklöcher?

    »Das ist ja wenigstens etwas. Übrigens hab ich gestern Abend einen ganz reizenden Menschen...« Der Ton brach ab. Offenbar war der Zug nun doch ins Funkloch gerauscht, oder der Akku war leer. Berndorf betrachtete das Handy, zögerte kurz und schüttelte den Kopf. Er musste nicht wissen, was gestern Abend drüben auf dem Campus einer Oststaaten-Universität ganz reizend gewesen war, durchaus nicht, es ist überhaupt eine Krankheit, alles wissen zu müssen.
    Wirklich? Und was, bitte, willst du denn eigentlich in Starnberg? Er lehnte sich wieder zurück, noch immer fühlte er sich müde, aber dieser angenehme Zustand einer absichtslosen Gedankenleere wollte nicht zurückkehren.
     
     
     
    Vom Hotelfoyer aus blickte man auf die noch kahlen Bäume eines alten Parks, es war noch früh am Nachmittag, und die von poliertem Marmor schimmernde Halle lag in einem zurückhaltenden Halbdunkel, in das Art-deco-Lampen einzelne überraschende Lichtpunkte setzten. Das Stuttgarter Maybach International gehörte zu der neuen Generation von Hotels, wie sie vorzugsweise in alten denkmalgeschützten Bürgerpalais und Stadtresidenzen eingerichtet werden und deren ausgeprägt großbürgerliches Flair kleinkarierte Fragen zur Hotelrechnung schon im Ansatz unterdrückt.
    In solchen Häusern sollte der Service perfekt sein, hier war er es freilich nicht, denn an der Rezeption arbeitete im Augenblick nur eine der notorisch schmalhüftigen Kostümträgerinnen, und die war mit einem stiernackigen Menschen beschäftigt, der partout vom Hotel aus einen Flug nach St. Petersburg stornieren wollte.
    Elaine wartete, bereits leicht gereizt, und betrachtete die Tür, die hinter der Rezeption zu irgendwelchen Geschäftsräumen führte. Kam es ihr nur so vor, oder drang durch die Tür wirklich der Tonfall einer zornigen Litanei? Das Reh hinter dem Tresen hatte sich endlich dazu entschlossen, sie wenigstens mit einem entschuldigenden Blick wahrzunehmen, und betätigte eine Signaltaste.
Die Tür öffnete sich, ein zweites schwarz kostümiertes Reh erschien, der Kopf schwer gerötet, Elaine registrierte es und war für ihren eigenen Einfall dankbar, sich ihr Zimmer auf den Namen Helene Dieffenbach - den ihrer Großmutter - reservieren zu lassen.
    Ein krummbeiniger Page begleitete sie mit dem Gepäck in den dritten Stock, wo ihr Appartement lag, und beantwortete beflissen ihre Fragen, ja, er sei seit zwei Jahren im Hotel beschäftigt, nein, im vergangenen Mai sei er nicht im Hause gewesen, einer Knie-Operation wegen, ja, er werde sich bei seinen Kollegen umhören...
    »Ihre Schwester war eine junge blonde Dame, sagten Sie?«
    Allein in ihrem Zimmer, von dem aus sie einen weiten Blick über den Stuttgarter Talkessel hinauf zu den Anhöhen und dem Fernsehturm hatte, ließ sie sich erst einmal in einen Sessel fallen, stellte dann aber sofort fest, dass das keine gute Idee war. Augenblicks fiel Müdigkeit über sie her, außerdem so sinnlose Fragen, was sie hier eigentlich tue und mit welcher Begründung sie gerade diese Hotelrechnung in der Kanzlei würde einreichen können. Sie schüttelte sich und blätterte, weil gerade keine andere Lektüre zur Hand war, den Hotelprospekt durch, das hotel übliche Angebot von Restaurant und Café und Bar, ein Fitnessraum, auch eine Sauna gab es.
    Entschlossen klingelte sie nach dem Room Service, ein junges Mädchen erschien und beantwortete brav die Fragen, ja, die Sauna sei geöffnet und beheizt, nein, sie selbst sei erst seit

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