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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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er betrunken?«
    »Wir haben zwar eine Blutprobe entnehmen lassen, weil das
Verhalten doch sehr auffällig war. Aber das Ergebnis war negativ, kein Alkohol, keine Drogen.« Orrie schüttelte den Kopf. »Als wir ihn wegen der Blutprobe ins Krankenhaus bringen wollten, hat es noch einmal einen Aufstand gegeben. Wir mussten erst seinen Vater anrufen, und der hat ihn dann zur Raison gebracht... ich versteh das nicht.«
    »Was verstehst du nicht?«
    »Der Richter Veesendonk ist ein höflicher, freundlicher Mann, so kennt man ihn doch. Aber dieses Bürschchen - das ist einfach ein Auto fahrender Haufen Scheiße.«
    Kuttler blickte ihn streng an. »Wenn einer Donatus Severin heißen muss - was soll da auch anderes aus ihm werden? Au ßerdem reden wir nicht so über die Leute.«
     
     
     
    Gabriele Querheim trug einen schwarzen Hausanzug, und ihr magerer Körper sah darin merkwürdig unbekleidet aus. Ihr Haar war in kurze, rot gefärbte Löckchen gelegt, und sie empfing Berndorf - der sich am Vormittag telefonisch angekündigt hatte - mit der abweisenden Miene einer Schauspielerin, die sich noch nicht schlüssig darüber war, wie sie ihre Rolle anlegen sollte. Ihr Haus, ein aus Feldsteinen gemauerter Flachdach-Bungalow, öffnete sich zum Süden und zum See hin mit einem Panoramafenster und einer Steinterrasse davor.
    Berndorf bekam einen niedrigen schwarzen Ledersessel angeboten, der auf zwei Stahlrohren zu schweben schien, und versank alsbald darin.
    »Die Höflichkeit würde es vorschreiben, dass ich Ihnen etwas anbiete«, sagte Gabriele Querheim, die auf einem schmalen, hohen Stühlchen aus Schmiedeeisen Platz genommen hatte, die Hände auf den Knien verschränkt. »Aber ich kenne Sie nicht, und da Sie mit meinem geschiedenen Mann zu tun gehabt haben, misstraue ich Ihnen.« Sie hielt sich sehr gerade und konnte so auf ihn herabsehen. »Wenn ich trotzdem Ihrem Besuch zugestimmt habe, so wollen Sie doch bitte keine Freundlichkeiten von mir erwarten.«

    Berndorf fühlte sich unbehaglich. Das hatte nichts mit der Begrüßung zu tun. Das Gesicht der Frau ihm gegenüber hatte etwas Starres, als hätte sie sich zumindest einem Face-Lifting zu viel unterzogen, aber was hatte ihn das zu stören? Schließlich wusste er es: Es waren ihre Augen, sie waren dunkel, mit einem von Schmerz oder Vorwurf oder Angst erfüllten Ausdruck darin.
    »Es geht nicht um Ihren früheren Mann«, sagte er. »Ich ermittle wegen des Todes einer Frau.« Hätte er das noch bürokratischer ausdrücken können? Immerhin war ihm rechtzeitig eingefallen, nicht vom Tod einer jungen Frau zu sprechen.
    »Und warum kommen Sie dann zu mir?«
    »Weil ich nicht ausschließen kann, dass der Tod Ihres früheren Mannes etwas mit den Umständen zu tun hat, unter denen diese Frau ums Leben gekommen ist.«
    »War es eine junge Frau?« Plötzlich rötete sich ihr Gesicht. »Hat er sie in den Selbstmord getrieben?«
    »Eine junge Frau, ja. Aber sie ist erschlagen worden, angeblich von ihrem eigenen Mann. Eisholm hat diesen Mann verteidigt.«
    »Das sieht ihm ähnlich.« Plötzlich sah sie enttäuscht aus.
    »Warum haben Sie gemeint, dass er sie in den Selbstmord getrieben hat?« Blödsinnige Frage, dachte er bei sich. Warum wird eine geschiedene Frau das wohl meinen?
    Sie lachte auf. Das Lachen klang brüchig. »Ich sehe schon, Sie haben ihn nicht gekannt. Nicht wirklich. Und Männern gegenüber war er sowieso noch einmal anders.« Unvermittelt stand sie auf. »Trinken Sie einen Kaffee mit mir? Ich brauche jetzt nämlich einen.«
     
     
     
    Entschuldigung, Chef«, sagte Kuttler und schob sich in Dorpats Büro, »da ist ein...«
    Es gebe ein Problem, hatte er sagen wollen, aber in diesem Augenblick läutete das Telefon des Hauptkommissars, der wandte den Blick vom Bildschirm seines PC, hob abwehrend die Hand, nahm den Hörer und meldete sich...

    »Ja, Grüß Gott, Kollege«, dröhnte Dorpat in den Hörer, »das ist aber nett, dass Sie gleich zurückrufen... ja, ganz recht, es geht um die Sache Eisholm, Sie werden in München ja bestens mit ihm bekannt gewesen sein... Nein, sehr viel weiter sind wir noch nicht, aber wir haben immerhin schon ein Phantombild, und da hab ich mir überlegt, dass es unter Eisholms Kundschaft ja auch Leute geben kann, die nicht so ganz zufrieden... richtig, das liegt in der Natur der Branche, dass das Fälle sein sollten, die schon länger zurückliegen...«
    Kuttler löste sich von der Wand, öffnete leise die Tür und verließ Dorpats Büro.

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