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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Zwei Türen weiter saßen der kleine Hummayer und dessen Kollegin Wilma Rohm vor ihren Bildschirmen, das heißt, sie hatten sich ins Netz eingeloggt und sahen sich - Kuttler musste genau hinschauen, weil er es erst nicht für möglich hielt - Nachdrucke und Wiedergaben von Zeitungsberichten an.
    »Was treibt ihr da?«
    »Arbeiten«, sagte der kleine Hummayer.
    »Wir recherchieren«, ergänzte Wilma Rohm.
    »Ihr lest Zeitung«, stellte Kuttler klar.
    »Tun wir nicht«, antwortete der kleine Hummayer.
    »Nicht Zeitung«, präzisierte Wilma Rohm. »Gerichtsberichte. Solche, die Fälle von Eisholm betreffen...«
    Kuttler zuckte die Achseln und verließ wortlos das Zimmer. Auf dem Flur überlegte er einen Augenblick, dann holte er seinen Mantel, ging zur Fahrbereitschaft und ließ sich einen Wagen geben.
    Ein paar Minuten später fuhr er durch die Ulmer Weststadt, bog dann rechts ab und steuerte das Gewerbegebiet an, das sich nördlich von Ulm-Söflingen ausbreitet. Dort nämlich befand sich die Vertragswerkstatt, die Richter Veesendonks Wagen geliefert hatte.
    Er war sich klar darüber, dass er dort auch hätte anrufen können. Aber er fühlte sich im Moment im Dezernat I schlicht überflüssig. War nicht dort die allgemeine Tollerei ausgebrochen? Angefangen bei Ivo dem Großen bis zum kleinen Hummayer
hingen sie alle im Netz und hatten es wichtig und bildeten sich ein, die Spinne zu sein... Er wusste es besser. Falls es irgendeinen Menschen gab, der wirklich so aussah, wie es der halbblinde Ellwanger Zugpassagier dem Kollegen Schmoltze in den Computer diktiert hatte, und falls dieser Frankenstein tatsächlich dem Anwalt Eisholm aufgelauert hätte: Dann wäre er erstens in der Verhandlung gewesen und zweitens ihm - Kuttler - aufgefallen, weil ein Mensch von solch monströser Finsternis wie das Geschöpf auf jenem famosen Phantombild jedem hätte auffallen müssen …
    Kuttler stellte seinen Wagen auf einem Kundenparkplatz ab, betrat das Werkstattbüro und ging an den Ausstellungswagen vorbei - dieser Geruch nach fabrikneuen Reifen und Lackpolitur! - zum Kundenschalter. Eine dicke Frau sah sich seinen Ausweis an und suchte dann die Rechnung Veesendonk heraus...
    »Der Wagen war am Mittwoch fertig und ist - Moment - am Nachmittag abgeholt und mit Scheckkarte bezahlt worden... Müssen Sie es genauer wissen?«
    Musste er? »Können Sie sich erinnern, wer den Wagen abgeholt hat?«
    Die dicke Frau überlegte. »Ich glaube, es war Frau Veesendonk, doch - ganz sicher war sie es, wir haben uns noch unterhalten, es war ein bisschen merkwürdig. Sie hat sich gewundert, warum sich die Leute wegen eines Blechschadens so aufregen, und das hat dann wieder mich gewundert, weil die Rechnung ja über dreitausend Euro ausgemacht hat, ich meine, bei dreitausend Euro müsst ich mich ganz schön aufregen, aber vielleicht ist das bei Beamten - Entschuldigung! Sie sind ja auch einer - doch anders...«
    Tröstend meinte Kuttler, wie er sich über dreitausend Euro aufregen würde, das stelle er sich besser erst gar nicht vor, dankte und ging.

    Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Gabriele Querheim und schenkte Kaffee ein. Der Teewagen, den sie neben Berndorfs Sessel gerollt hatte, war mit einem Service in italo-futuristischem Dekor bestückt sowie mit Gebäck, das irgendwie nach Diät aussah. »Ach ja! Mein Mann hatte völlig unterschiedliche Strategien, was Frauen und Männer betraf... Zucker? Milch?«
    Berndorf dankte und sagte, er nehme den Kaffee schwarz.
    Die Querheim, eine Dose mit Saccharin-Tabletten in der Hand, sah argwöhnisch auf. »Also haben Sie doch Ähnlichkeit mit ihm! Eisholm hat das auch für chic gehalten.«
    Berndorf erklärte, dass sich gewisse Gemeinsamkeiten leider nicht vermeiden ließen. »Ich fürchte, Sie würden auch mir nachweisen können, dass ich mich gegenüber Frauen anders verhalte als gegenüber Männern.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie verstehen mich nicht. Ich habe nicht von Verhaltensweisen gesprochen, sondern von Strategien.« Sie zählte drei Süßstofftabletten ab. »Das ist ein gravierender Unterschied. Eisholm verhielt sich nicht zu Menschen, er nahm sie als Menschen überhaupt nicht wahr, er betrachtete sie als Marionetten, bei denen nur herauszufinden war, an welchen Drähten er zu ziehen hatte.« Sie blickte hoch, für einen kurzen Moment nur, und plötzlich war ein Funkeln in den Augen. »Damit sie die Beine breit machen, zum Beispiel.«
    Berndorf erwiderte den Blick. »Haben Marionetten denn

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