Beifang
fotografiert wurde... Damals war er noch nicht ganz so albern. Und Diskussionen? Ja doch, die beiden hatten ihre nächtelangen Streitgespräche, meist ging es um irgendwelche juristischen Spitzfindigkeiten.« Sie beugte sich zu ihm. »Wenn ein Lahmer, der im Rollstuhl von einem Blinden geschoben wird, eine Bank überfällt - wer ist dann Chef und wer der Gehilfe? Über solches Zeug konnten sie endlos diskutieren.«
»Sie sagten vorhin, Eisholm habe früher Schach gespielt. Der andere auch?«
Gabriele Querheim nickte, aber nun schien sie ein wenig gelangweilt. »Das hat er, und in diesen Ferien, von denen ich Ihnen erzählen will, stand immer irgendwo ein Schachbrett herum, und niemand durfte etwas daran verändern oder eine der aufgestellten Figuren auch nur berühren. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Die Schachkoryphäen von damals - wie hießen die? Fischer? Aljechin?«
Damals? Das wird vor gut dreißig Jahren gewesen sein, überlegte Berndorf. »Bobby Fischer, das kann sein. Der andere war früher.«
»Also solche Partien haben sie nachgespielt und analysiert, wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, weil Eisholm nicht selber spielen wollte. Michael war ihm zu stark.«
»Michael?«
»So hieß der andere, und Vren war seine Verlobte, ich glaube, damals gab es so etwas noch...«
Michael, dachte Berndorf. Ein Jurist. Und spielt Schach. Besser als mancher andere... Gabriele Querheim aber war ins Plaudern gekommen, und so zwang er sich, ihr zuzuhören.
»...wir waren zu viert in einem klapprigen VW-Bus unterwegs,
in dem Eisholm und ich auch schliefen. Das andere Pärchen hatte ein Zwei-Mann-Zelt dabei und zog sich dorthin zurück, wenn sie ihren Spaß haben wollten. Eisholm sah das nicht gern, er hielt es für spießig und spottete über das Zeltchen für das Lüstchen... Ich bin ganz sicher, er hat diesen ganzen Frankreich-Urlaub nur arrangiert, weil er sich ausgerechnet hat, er käme so an die Vren heran, die hatte eine ganz nette Figur, vielleicht ein bisschen drall, und in den hellen Augen lag etwas Spöttisches, das hat ihn ganz wild gemacht.« Sie verzog ein wenig die Lippen, vielleicht sollte es ein Lächeln sein. »Sie war Buchhändlerin, hatte nicht mal Abitur Er hat vermutlich gemeint, die müsste nur so hinschmelzen, wenn er ihr ein bisschen Nietzsche um die Nase fächelt.«
»Und? Ist sie geschmolzen?«
Sie zuckte die Achseln und sah ins Leere oder zum Panoramafenster und dem grauen Februarhimmel dahinter.
»Anfangs hat sie ihn nur ausgelacht, aber dann, nach einer Weile, hat sie ein richtiges Spiel daraus gemacht, wer wen besser provozieren kann. Einmal haben wir uns, nicht weit von Arles, eine romanische Kapelle angeschaut, mit einem noch gut erhaltenen Steinfries, auf dem biblische Szenen dargestellt waren, Adam und Eva zum Beispiel, scheinbar ganz naiv, aber an der Perspektive sah man, dass diese alten Bildhauer unglaublich raffiniert gearbeitet haben. Doch Eisholm und diese Vren haben nur darüber gestritten, ob Adam und Eva komplett mit ihren Geschlechtsteilen dargestellt waren, so genau hat man das nämlich gar nicht sehen können... Allerdings hat mich dieses ganze anzügliche Getue schon damals nicht wirklich interessiert. Ich war ja nur eine Nebenfigur, die ganze Zeit schon war ich das, und dieser Michael zählte auch nicht, so komisch es klingt. Er hat Eisholm in die Tasche gesteckt, nicht nur beim Schachspiel, sondern auch als Jurist. Trotzdem zählte er nicht... Verstehen Sie mich bitte richtig: Dieser andere Mann hat mich nicht interessiert, schon gar nicht erotisch. Aber manchmal habe ich doch einen Blick zu ihm geworfen, nur um zu sehen, was in ihm vorgeht.«
»Und was haben Sie gesehen?«
»Nichts«, antwortete Gabriele Querheim, und ihr Blick kehrte zu Berndorf zurück. »Absolut nichts. Er saß da und ließ es geschehen. Ich weiß, Frauen sollten nicht so denken, aber ich - ich habe Männer immer darum beneidet, dass sie einfach aufstehen und dem anderen die Faust ins Gesicht rammen können.« Sie ballte die kleine magere Hand zu einem Fäustchen und schlug damit in die Luft. »Für Michael wäre noch nicht einmal ein Risiko dabei gewesen, er war Eisholm auch körperlich überlegen. Aber da kam nichts.«
»Es gibt so etwas wie eine habituelle Feigheit von Männern«, sagte Berndorf. »Vielleicht hatte es Eisholm aber auch gerade darauf angelegt, dass dieser andere ausrastet. Es wäre ein Triumph für ihn gewesen.«
Gabriele Querheim hob den Kopf, als müsse sie
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